Bestenlisten von Experten unterscheiden sich erheblich von Bestsellerlisten. Und das ist gut so – jedenfalls für die Krimileser, die sich nicht nur an Verkaufszahlen orientieren wollen.
Deutschsprachige Autorinnen und Autoren werden in Bestenlisten im Verhältnis zur Zahl der Veröffentlichungen zumeist wenig aufgeführt. Bedauerlich! Und deshalb stelle ich mit diesem kleinen Beitrag meine Lieblingskrimis des letzten Jahres aus „deutschsprachiger Feder“ vor – in alphabetischer Reihenfolge der AutorenInnen:
Max Annas – Die Farm Verschwommen wie das Bild auf dem Cover erscheint zunächst die Lage auf der abgelegenen südafrikanischen Farm. Sie wird belagert und beschossen. Nach sieben Stunden ist das Drama vorbei. Warum es dazu kam? Es wird in einigen Sätzen angedeutet, nicht ausführlich beschrieben. Aber das Warum spielt auch nur eine unbedeutende Rolle. Ein desillusionierender fiktiver Bericht, den Max Annas in seinem ersten Roman über das Heute im ländlichen Teil Südafrikas gibt.
Auerbach & Keller – Tote trinken keinen Whisky Ein Krimi für Liebhaber. Liebhaber der schottischen Landschaft, dortiger Bräuche, der Produkte zahlreicher Brennereien und Liebhaber eines gepflegten Krimis, in dem niemals die platte Frage gestellt wird, was der Schotte unterm Rock trägt, trotzdem des Öfteren ein Schmunzeln beim Lesen erzeugt. Fernab von Werken, die ihre Leser zu zwanghaft wieherndem Lachen und Schenkelklopfen animieren wollen. Wenn Krimi mit Humor, dann dieser. Slàinte!
Oliver Bottini – Ein paar Tage Licht Algerien und die Waffenlieferanten, deren Politik und Lobbyismus. Verlierer ist die Bevölkerung Algeriens, denn die Waffen sollen gegen jene gerichtet werden, die für die Verbesserung der Verhältnisse der Menschen kämpfen. Dem überwiegenden Teil, der nicht vom Rohstoffreichtum profitiert, der sich nicht durch Korruption in großem Maße bereichern kann. Ein desillusionierender Thriller, der in Bezug auf die deutschen Rüstungsexporte schockiert. Eine Geschichte die fasziniert, sprachlos und ergriffen macht, zuweilen wütend der Verhältnisse wegen, die darin geschildert werden.
Tom Hillenbrand – Drohnenland In den 40er Jahren dieses Jahrhunderts observieren Drohnen unser Tun und Treiben, Bewegungen und Verhalten nahezu aller Menschen, Parteien und Organisationen. In riesigen Datenbanken werden die Ergebnisse dieser totalen Überwachung gespeichert, durch künstliche Intelligenz verarbeitet und bei Bedarf berechtigten Nutzern präsentiert. Spannung mit einem weiten Spannungsbogen, der Konflikt zwischen Kommissar und den zunächst unsichtbaren Gegnern mit der Balance von Gut und Böse, falsche Fährten und das Ungewisse, das kaum Glaubhafte, das dann doch so real erscheint.
Anne Kuhlmeyer – Es gibt keine Toten Ein Werk von – inzwischen – bedrückender Realität. Es beschreibt die Gewalt der rechten Szene, die darauf bedacht ist, dass Deutschland den Deutschen zu gehören hat. Auf der anderen Seite agiert eine Gruppe von Migranten und Asylanten, ausgebeuteten Lohnsklaven und anderen wenig geachteten Menschen in unserem Land, die sich überwiegend auf der Opferseite sieht. Beiden Gruppierungen ist gemeinsam, dass sie einem teilweise tatenlos und ohnmächtig zuschauenden Staat nicht vertrauen, die Rechte, die sie für sich reklamieren, zu sichern – gleich, ob es sich um legitime Rechte handelt oder um sogenannte Rechte aus altem Nazi-Gedankengut. Ein Kriminalroman, der nachdenklich stimmt. Und eine Story, die es wert ist, geschrieben worden zu sein. Das ist Anne Kuhlmeyer gelungen.
Sophie Sumburane – Gefährlicher Frühling Ein “Gefährlicher Frühling” ist der arabische Frühling. Für Staatsoberhäupter wie Ben Ali in Tunesien, Mubarak in Ägypten, die nach jahrzehntelanger Willkürherrschaft vom Volk schließlich gezwungen werden, ihre Ämter aufzugeben. Gefährlich aber vor allem für jene, die vor und während der Massenproteste der Polizeiwillkür ausgesetzt sind, gedemütigt, gefoltert und ermordet werden. Es ist aber nicht nur die frische Sprache, es ist auch das offene Ende der Geschichte, die nichtklassisch für einen Kriminalroman endet. Eine von der ersten bis zur letzten Seite eine ungewöhnliche Story, herausbrechend aus dem üblichen Krimi-Einerlei!
Annelie Wendeberg – Teufelsgrinsen Bakteriologin und Epidemiologin Anna, die den Mann gibt, nämlich Dr. Anton Kronberg, trifft an der Leiche eines vermutlich Choleratoten im Sommer 1889 in einem Londoner Wasserwerk auf Sherlock Holmes. Holmes erkennt sofort, dass in den Männerkleidern eine Frau steckt. Neben dem Kriminalfall, der hier beschrieben wird, ist das Buch eine Zeitaufnahme aus der Vergangenheit, als Frauen noch nicht studieren durften. Wie sie Todesursache und Fall klären, sich gegenseitig nach Holmes’scher Art analysieren, machen Anna und Sherlock zum neuen Dream-Team der Ermittler-Szene im modernen Kriminalroman – auch wenn er in der viktorianischen Zeit spielt.
Neben diesen Kriminalromanen habe ich die folgende Sammlung von Kurzgeschichten mit Vergnügen gelesen:
Zoë Beck – Ein zufriedener Mann Alltag ist das scheinbare Thema einiger Erzählungen, wobei die jeweilige Situation im Alltag eskaliert. Bis hin zum Tod. Es liest sich alles so einfach. Schlicht und unspektakulär erzählt Zoë Beck – und dennoch so eindrucksvoll. Es sind höchst delikate Happen, die uns angeboten werden. Sie sind mehr als ein Genuss für einen Augenblick, sie wirken nach. Manche beschäftigen mich noch nach Tagen. Ein anhaltender Genuss!
Zum Schluss: Weitere Kriminalromane, die im letzten Jahr veröffentlicht wurden und „aus deutschsprachiger Feder“ stammen, hätten es sicherlich verdient, hier erwähnt zu werden. Wenn ich sie denn gelesen hätte. Und so ist diese Auswahl als völlig unrepräsentativ zu betrachten. Ich bitte um Nachsicht.
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