Ein „Gefährlicher Frühling“ ist der arabische Frühling. Für Staatsoberhäupter wie Ben Ali in Tunesien, Mubarak in Ägypten, die nach jahrzehntelanger Willkürherrschaft vom Volk schließlich gezwungen werden, ihre Ämter aufzugeben. Gefährlich aber vor allem für jene, die vor und während der Massenproteste der Polizeiwillkür ausgesetzt sind, gedemütigt, gefoltert und ermordet werden.
Dieses Milieu ist die Basis zu Sophie Sumburanes Kriminalroman Gefährlicher Frühling, dessen Auswirkungen bis ins Leipzig des Jahres 2013 reichen. Dort ist der Sitz eines scheinbar integeren Ingenieurbüros, das gewisse Leistung weltweit anbietet – speziell für den arabischen Raum. Die Chefin dieser Firma wird ermordet, ein dort angestellter moslemischer Ägypter verschwindet. Ein einfaches Muster für Politik, höheren Polizeiapparat und die Medien nach dem Motto: „Täter bekannt, Suche nach dem Moslem eingeleitet, denn im Zweifel war’s der Moslem!“ Alle sind zufrieden, nur Kommissarin Charlotte Petzold nicht, zweifelt an dieser These.
Und so läuft der Roman auf zwei zeitlich zunächst versetzten, parallelen Handlungssträngen:
– Ägypten 2011, dort schließt sich ein junger, angehender Ingenieur friedlichen Protesten an. Was dann mit ihm passiert und wie aus diesem Kalem ein ganz anderer Mensch wird, der mit brutalen Methoden zum Mohamad Hassan und damit selbst zum Folterknecht wird, beschreibt der eine Strang.
– Leipzig 2013, Mord an der Leiterin des Ingenieurbüros, in dem ein Mohamad Hassan angestellt war, Suche nach Motiv und Täter, ist der andere.
Mohamad Hassan, in Ägypten die Bezeichnung für die Berufsgruppe der Folterknechte, verknüpft die beiden Stränge und damit ergibt sich für Charlotte Petzold die Frage, wie die Leistungen des Ingenieurbüros mit Ereignissen in Ägypten in Verbindung stehen und warum in diesem Zusammenhang in Deutschland gemordet wird.
Sophie Sumburane erzählt die Geschichte mit frischen Worten. Ich bezeichne die Autorin, die mit Gefährlicher Frühling ihren zweiten Kriminalroman veröffentlicht, als DIE neue Stimme aus dem Krimiwald, erfrischend und unverbraucht. Lediglich wenn der Folterknecht sich in Kairo in seine „kleine Einraumwohnung“ zurückzieht, womit offensichtlich ein schäbiges Apartment gemeint ist, hatte ich den Eindruck, dass da noch ein altes Sprachmuster in der Potsdamer Autorin verwurzelt ist.
Es ist aber nicht nur die frische Sprache, es ist auch das offene Ende der Geschichte, die nichtklassisch für einen Kriminalroman endet. Und so ist die Story von der ersten bis zur letzten Seite eine ungewöhnliche, herausbrechend aus dem üblichen Krimi-Einerlei!
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Deutschland 2014
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