Oliver Bottini: Ein paar Tage Licht

Artig als Kriminalroman auf dem Cover deklariertP1010239 ist „Ein paar Tage Licht“ vielmehr ein Thriller. Eine Geschichte, die mit viel „Thrill“ unaufgeregt und nüchtern von Oliver Bottini erzählt wird und trotz oder wegen der ruhigen, sachlichen Darstellung den Leser packt, fasziniert, sprachlos und ergriffen macht, zuweilen wütend der Verhältnisse wegen, die darin geschildert werden.

Algerien. Zum einen ist es die Geschichte Algeriens der letzten 50 Jahre, in Ausschnitten am Leben von Djamel erzählt, der im Alter von 11 Jahren seinen Vater verliert, der willkürlich von Schergen der algerischen Regierung verschleppt wird und nicht wieder auftaucht. Das Trauma, den Vater auf diese Weise verloren zu haben, begleitet Djamel viele Jahre, er sinnt auf Rache, schließt sich Kräften an, die die algerische Scheindemokratie unblutig stürzen wollen.

Auf der anderen Seite die Vertreter der Regierung und des staatlichen Terrors. Korrupt, machtbesessen, brutal bei der Verteidigung ihrer Macht und der Bewahrung der derzeitigen Verhältnisse. Das beinhaltet, alle Strömungen, die Veränderungen bringen könnten, mit aller Gewalt auszutrocknen. Und dazu brauchen „das Land“ Waffen in riesigen Mengen, die es gegen Öl und Gas tauschen kann.

Algerien und die Waffenlieferanten, deren Politik und Lobbyismus. Ein einfaches Geschäft mit automatisierten Abläufen: „ Du willst in meinem Land investieren? Gut, ich will deine Panzer! Du willst unser Öl? Unser Gas? Gut, ich will deine Sturmgewehre!“

Ein einfaches Geschäft für Regierungen auf beiden Seiten und für Rüstungskonzerne. Politiker, Chefs und Lobbyisten der Waffenschmieden, Militärs sind nicht zimperlich, unterliegen Streben nach Gewinn, Streben nach Wiederwahl, Streben nach Beförderung. Win-win-Situation für zwei Parteien, wenn diese sich an die Regeln halten.

Die Verlierer. Die dritte Partei, in diesem Fall die Bevölkerung Algeriens hat dabei nichts zu gewinnen, denn die Waffen sollen gegen jene gerichtet werden, die für die Verbesserung der Verhältnisse der Bevölkerung kämpfen. Dem überwiegenden Teil, der nicht vom Rohstoffreichtum profitiert, der sich nicht durch Korruption in großem Maße bereichern kann.

Gewinn und Verlust. In diesem Fall sollen deutsche Rüstungsexporte helfen, die derzeitige „Balance“ in Algerien zu bewahren. Mittendrin ein Vertreter der deutschen Rüstungsindustrie, der entführt wird. Lokale Geheimdienste, Militär und Regierungsvertreter versuchen, den Fall mit ihren Mittel zu lösen. Einmischungen deutscher Politik ist unerwünscht, ein deutscher BKA-Mann in Algier verstrickt sich bei dem Versuch, die Geisel zu befreien im Netz der Interessen – nicht nur der algerischen sondern auch der seines Heimatlandes. Die Wahrheit wird weitgehend ignoriert. Und so wird es zunächst nichts mit einem friedlichen algerischen Frühling.

Es ist ein desillusionierender Thriller, den Oliver Bottini geschrieben hat, ein faszinierender, der in Bezug auf die deutschen Rüstungsexporte schockiert.

Zur Recht hoch gelobter Roman und seit zwei Monaten auf Platz 1 der Krimibestenliste der ZEIT.

(Und die deutschen Rüstungsexporte in Drittländer wie Algerien sind im letzten Jahr wieder gestiegen.)

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Deutschland 2014

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5 Antworten zu Oliver Bottini: Ein paar Tage Licht

  1. meikesbuntewelt schreibt:

    Das klingt sehr interessant, Philipp, danke für den Tipp. Und es erinnert mich an ein Buch, das ich kürzlich las: Bei Lesen war ich zwischendurch einfach immer wieder wütend. Mal gucken, vielleicht schreibe ich darüber auch mal etwas – verdient hätte es das.

  2. karu02 schreibt:

    Danke fürs Vorlesen, das Buch darf ich mir nicht entgehen lassen.

  3. Kaffeehaussitzer schreibt:

    Schöne Besprechung. Und: „Wütend gemacht“ – das trifft es ziemlich gut, was man fühlt, wenn man über die Verstrickungen der Politik in dubiose Waffengeschäfte liest. Mir hat das Buch auch ziemlich gut gefallen, es ist ein Thema, das noch lange im Kopf nachwirkt. http://kaffeehaussitzer.de/?p=3083

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