In den 40er Jahren dieses Jahrhunderts observieren Drohnen unser Tun und Treiben, Bewegungen und Verhalten nahezu aller Menschen, Parteien und Organisationen. In riesigen Datenbanken werden die Ergebnisse dieser totalen Überwachung gespeichert, durch künstliche Intelligenz verarbeitet und bei Bedarf berechtigten Nutzern präsentiert. George Orwells Science Fiction Roman 1984 erscheint als technisch veraltetes, belächelnswertes Modell.
Neben globaler Observation scannen kleine Drohnen vor Sicherheitsbereichen die Retina von Personen bei Annäherung und geben Berechtigten den Zutritt frei. Minidrohnen in Fliegengröße observieren in Schwärmen Wohnungen und untersuchen Inhalte von Kühlschränken, nicht nur visuell sondern auch sensorisch und olfaktorisch. Geräte werden sprachgesteuert, auch Autos, die sich fahrerlos durch den Verkehr bewegen. Googlen am PC oder Smartphone ist obsolet, bearbeitete Daten werden in Spezialbrillen eingeblendet. Klimawandel hat bewirkt, dass die Meeresspiegel erheblich gestiegen sind, die Niederlande existieren nicht mehr und im verbliebenen Mitteleuropa fällt während der Regenzeit der Niederschlag nicht mehr in Form ehemals berühmter „cats and dogs“, vielmehr regnet es nun sprichwörtlich Kühe und Schweine. Die Union als Nachfolger der EU umfasst inzwischen 38 Mitgliedsstaaten und 8 assoziierte Territorien. Kriege haben die Grenzen verändert, neue Mächte entstehen lassen. Nun soll die Verfassung dieser Union geändert werden, auch mit dem Ziel, dass das United Kingdom endlich die Gemeinschaft verlassen kann.
In dieser Zeit, kurz vor der Abstimmung im Parlament, wird ein italienischer Abgeordneter auf dubiose Weise ermordet. Mit Unterstützung der Digitalforensik will Kommissar Westerhuizen den Mordfall klären. Trotz der Daten aus der totalen Überwachung stößt er dabei auf Fakten, die nicht zueinander passen, Indizien sind kaum vorhanden. Schließlich stellt er fest, ein Teil der Daten ist manipuliert. Nachforschungen, die ihn zu den Manipulateuren führen, bringen den belgischen Kommissar in große Gefahr, denn die Gegner sind mächtig und schrecken nicht vor Mord zurück, um ihre Ziele durchzusetzen.
Tom Hillenbrand, bisher in der Krimiszene bekannt durch kulinarische Krimis mit dem Protagonisten Xavier Kieffer, hat sich mit Drohnenland auf das Gebiet des SF-haften Krimis gewagt und es ist ihm im höchsten Maße gelungen!
Mit viel Fantasie zeichnet er das Bild einer künftigen Welt, geprägt durch umherschwirrende Drohnen, künstliche Intelligenzen, neue politische und wirtschaftliche Machtkonstellationen und eine durch Klimawandel veränderte Welt. Aus heutiger Sicht mag bei jeder der einzelnen Änderungen noch nicht einmal sehr viel Fantasie dazugehören, die Zukunft zu zeichnen. Für diese allumfassende Sicht, wie Hillenbrand unsere künftige Umgebung schildert, reicht aber wohl die Vorstellungskraft der meisten derzeitigen Erdbewohner nicht aus. Einiges werden meine Kinder und Enkelkinder sicher so erleben. Die Entwicklungen für die Welt in 30 Jahren sind doch schon recht fortgeschritten.
Und in diesem Szenario läuft der Plot eines Kriminalromans, der alles hat was ein gutes Buch dieses Genres auszeichnet: Spannung mit einem weiten Spannungsbogen, der Konflikt zwischen Kommissar und den zunächst unsichtbaren Gegenern mit der Balance von Gut und Böse, falsche Fährten und das Ungewisse, das kaum Glaubhafte, das dann doch so real erscheint.
Großartig, was Tom Hillenbrand in Drohnenland beschrieben hat!
______________________________________________________________
Deutschland 2014
Boah, erst Peter und jetzt du … zwei sehr positive Rezensionen. Tja, da muss ich dieses Buch wohl demnächst wirklich mal unbedingt lesen. Jungs, euretwegen werde ich noch arm … 😉
Pingback: Meine Krimi-Highlights Q2-2014 | KrimiLese
Pingback: Totale Überwachung: „Drohnenland“ von Tom Hillenbrand | My Crime Time
Pingback: Meine Lieblingskrimis 2014 – Teil 1: “Aus deutschsprachiger Feder” | KrimiLese
Pingback: Tom Hillenbrand: Bittere Schokolade | KrimiLese