Peter Jackob: Schacks Schmuckstückscher!

Schmuckstückscher! Kann man so nennen. Ich bezeichne sie als Episoden aus dem Leben von Schack, in die der Mainzer Mordermittler unfreiwillig und zufällig hineingezogen wird. In der – wie auch immer, wann auch immer, wo auch immer – eine Leiche auftaucht.

Da fällt bei einem Restaurantbesuch Schack Bekkers einem Gast der Kopf in die Suppe. Gast tot! Suppe vergiftet? Schack findet die Ursache, die nie aufgeklärt worden wäre, wäre er nicht vor Ort gewesen – und genießt danach ebenfalls einen Teller dieses Rahmsüppchens.

Beim seinem Besuch des Ingelheimer Tigergeheges mit seiner kleinen Enkeltochter macht das kleine Mädchen während der Fütterung der Raubkatzen eine merkwürdige Entdeckung, der Bekker zunächst keine Bedeutung beimisst. Aber dann erkennt der Kommissar, was Leser dieses Kurzkrimis bereits erahnen. Und so ist es dann auch: Der Metzger wider Willen, zugleich Besitzer der Tiger, kann wieder seiner Reiseleidenschaft nachgehen, nachdem ihn seine Frau jahrelang daran gehindert hatte.

Auch auf Bekkers Fahrt zum Winzer seines Vertrauens passiert etwas, dass den pfiffigen Kommissar auf die Spur eines Verbrechens führt. Mit Colombo-haftem Vorgehen und Hilfe des fetten, ungeliebten Dackels seines Freundes wird der Mord an einer alten Frau aufgedeckt. Bekker erweist sich dabei als lupenreiner Schnüffler, und den Helden amerikanischer Krimiserien zumindest ebenbürtig.

„Ruhe in Frieden“ ist die vierte und kürzeste Episode, bei der Schack in einem schwedischen Möbelhaus – in dessen Schatten ich sozusagen wohne – auf die Leiche eines Mannes in einem Schrank mit einem beziehungsreichen Namen stößt. Eine köstliche Anekdote aus dem Leben des Kommissars, der sich am liebsten im Schatten des Mainzer Doms aufhält, auch in den umliegenden Weinstuben, und dort seine Fälle löst.

Man könnte jetzt behaupten, dass Schack Bekker in seiner Freizeit immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Das ist er jedoch unfreiwillig, stets Widrigkeiten ausgesetzt, die nicht gerade dazu beitragen, seine Laune zu verbessern. So hat Schack nicht nur während der normalen Arbeitszeit alle Hände voll zu tun, um Mörder zu jagen und zu fangen, sondern auch in seiner Freizeit, die er viel lieber mit seinen Freunden, Erna, oder in irgendeiner Weinstube der Mainzer Altstadt (siehe oben) genießen würde.

Diese vier Schmuckstückscher stellen einen Querschnitt Bekkers unfreiwilliger Freizeitgestaltungen dar und wurden in den letzten 12 Jahren in verschiedenen Anthologien veröffentlicht. Peter Jackob hat sie noch einmal leicht überarbeitet und in diesem Büchlein zusammengefasst.

So stößt man beim Lesen auf Bekanntes und Neues, dargeboten mit einer Portion Humor, angereichert mit Mainzer Lokalkolorit – auch dem der Umgebung inklusive von der anderen Rheinseite – und der liebenswerten Charakterisierung eines Kommissars „mit Ecken und Kanten, Herz und Humor“.

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Peter Jackob: Schacks Schmuckstückscher!, Vier abenteuerliche Kurzkrimis mit dem Mainzer Kommissar Schack Bekker, 1. Auflage 2023, ISBN 978-3-982-26785-2

Zu bekommen in gut sortierten Buchhandlungen in Mainz und in der Region. Wer nicht fündig wird, kann auch direkt beim Autor unter info@peterjackob.de bestellen.

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Schack Bekker- Romane:

Schack-Bekker-Erzählungen, der Autor nennt diese Reihe „Im Schatten des Doms“:

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Edgar Allen Poes „Der Untergang des Hauses Usher“ als Graphic Novel

Adaptiert von Dacia Palmerino und gezeichnet von Andrea Grosso Ciponte

Es ist kein Krimi im engeren Sinn, spannend ist es allemal – und (für mich) neuartig: Edgar Allen Poes “ Der Untergang des Hauses Usher“ als Graphic Novel.

E. A, Poes Kurzgeschichte The Fall of the House Usher erschien erstmals 1839. 1840 wurde eine überarbeitete Version veröffentlicht, deren erste deutsche Übersetzung 1901 erschien. Die Geschichte ist in Edgar Allen Poe. Das Werk vom Verlag Zweitausendeins (2010) im Abschnitt „Grausige und humoristische Erzählungen“ zu lesen. Und sie ist wahrlich grausig – gruselig, düster, geheimnisvoll.

Was Poe dabei in Worten gelang, greifen Dacia Palmerino und Andrea Grosso Ciponte auf und zeichnen in düsteren schwarz-weiß Bildern mit wenig Text – vermutlich aus der Übersetzung von Gisela Etzel aus dem Jahr 1909 übernommen – die Stimmung zum Schaudern und Gruseln nach. Lediglich die Bilder, die die Rhapsodie „Der verzauberte Palast“, die Roderick Usher mit seiner Gitarre begleitet dem Ich-Erzähler vorträgt, heben sich mit einem zusätzlichen Blutrot von der übrigen Darstellung in der Graphic Novel ab.

Der Inhalt der Poe’schen Kurzgeschichte erschließt sich in den eindrucksvollen Bildern und den knapp gehaltenen Sprechblasen weitgehend und sorgt dafür, dass der ursprüngliche Geist der Geschichte erhalten bleibt, teilweise sogar verstärkt wird.

Somit ist die Transformation des fast 200 Jahre alten Werks in die Welt der heutigen Medien eine gelungene Art, Poe neu zu erzählen.

Aus dem Klappentext geht hervor, dass Andrea Grosso Ciponte bei dieser Arbeit zum ersten Mal mit einer KI-gestützten Software gearbeitet hat. Ein gelungenes Experiment!

Wer noch einmal in die ursprüngliche Form der Erzählung eintauchen möchte, dem sei empfohlen, eine der zahlreichen Ausgaben zu lesen, die teilweise auch kostenfrei im Netz verfügbar sind. Eine Kurzfassung des Inhalts und Deutung der Geschichte ist unter dem Titel der Kurzgeschichte bei Wikipedia zu finden.

Fazit: Eine Graphic Novel, mit der es gelungen ist, die grausige Geschichte vom Ende des Hauses Usher so darzustellen, dass E.A. Poe vermutlich davon beeindruckt gewesen wäre. Für mich ein Vergnügen, sich auf diese Weise mit dem Werk des amerikanischen Schrifstellers zu befassen.

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Das Buch ist in der Reihe Dust Novels in der Edition Faust erschienen (2023), aus dem Italienischen übersetzt von Myriam Alfano

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Requiem Aeternam Conservamus* – MATHIJS DEEN: DER TAUCHER

Von der Nordsee, Wracks und Wracktauchern erzählt der Niederländer Mathijs Deen. Er erzählt wie die Nordsee so ist: kühl, mal ruhig, dann wieder aufwühlend und rau, auch Mordsee.

Ein Mann fährt mit seinem Boot von Föhr Richtung Wilhelmshafen. Später wird das Boot kieloben in der Nähe der dänischen Küste entdeckt. Vom Skipper keine Spur.

Irgendwo vor Amrum ortet ein Bergungsschiff unter holländischer Führung auf der Suche nach einem verloren Container ein Wrack, das auf keiner Wrackkarte der Gegend aufgeführt ist. Mit der Unterwasserkamera entdecken sie einen Taucher am Brückenaufbau. Tot. Der holländische Kapitän erkennt das Wrack. Die Hanne, 1950 gesunken mit Kupferplatten im Millionenwert an Bord.

Von der Bundespolizei in Cuxhaven wird Kommissar Liewe Cupido zum Bergungsschiff geschickt. Liewe, der „Holländer“ kann Holländisch und tauchen. Beim Tauchgang zu Wrack und totem Taucher, sieht, dass der Tote mit Handschellen an das Wrack gefesselt ist. Die Schlüssel für die Handschellen hängen außer Reichweite des Tauchers. Sichtbar in dessen letzten Minuten, jedoch unerreichbar.

Anderer Ort: Cuxhaven. Der Jugendliche Johnny hatte einige Monate zuvor den Gleichaltrigen Hauke so verprügelt, dass dieser schwer verletzt wurde, immer noch und wohl sein Leben lang unter den Verletzungen leiden muss, pflegebedürftig ist. Johnnys Eltern sind geschieden, der tote Taucher ist sein Vater, ein heruntergekommener Typ, ein Wracktaucher, lebte auf Föhr. Johnny läuft zum Ärgernis von Haukes Eltern frei herum, bisher gab es noch keinen Prozess, während es Hauke zunehmend schlechter geht, ins Koma fällt. Das herrenlose Boot vor Dänemark war das Boot des Toten.

Liewe und eine Kommissarin in Cuxhaven ermitteln im Fall des Tauchers, dessen Tod offensichtlich kein Unfall war. Wollte sich jemand an Johnnys Vater rächen? Hängt der Tod mit dem wertvollen Inhalt der Hanne zusammen, den der Wracktaucher schon teilweise geborgen hatte? Denkbar ist vieles, doch ein wahrscheinliches Motiv zunächst nicht erkennbar. Auf die Spur kommt Liewe, als der Tauchcomputer des Toten ausgewertet wird. Wohin die Spur führt und wer dabei war und weshalb ist eine lange Geschichte, von Mathijs Deen spannend und kurzweilig im maritimen Szenario erzählt. Ohne viel Schnick-Schnack – blendet man die kleinen Begebenheiten zwischen Liewe und einer Hundetrainerin aus. Eine Episode die zwischendurch und kurzzeitig zu einer angenehmen Entspannung beim Lesen führt. Neben dem Plot geht es aber auch um Väter und Söhne. Liewe, der seinen Vater verloren hat, einen Fischer der auf See über Bord ging, nicht wieder zurück kam. Johnny, der ab und zu mit dem Gesetz in Konflikt kommt, und sein Vater, der zu ihm hielt. Hauke schwerkrank und dessen Vater darauf aus, dem Sohn ein gutes Leben zu ermöglichen.

Schicksale. Aber auch das von anderen, die ihre Vorfahren im eisernen Grab am Meeresboden wissen. Nordsee – ist zuweilen Mordsee.

Trotz aller Nüchternheit der Erzählung Emotionen weckend. Große Unterhaltung in kurzen Sätzen. Ein gelungener Kriminalroman.

– – – O – – –

Mathijs Deen: Der Taucher. Mit einer Karte der Küstenregion auf der Innenseite des Schutzumschlags, aus dem Niederländischen übersetzt von Andreas Ecke, erschienen im mareverlag (2023), Originaltitel: De Duiker

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* Wir schützen die ewige Ruhe

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Lea Stein: Altes Leid

In den ersten Jahren nach dem 2.Weltkrieg herrschte große Not in Deutschland. Die Städte zertrümmert, Lebensmittelrationen so gering, dass sie kaum reichten, um satt zu werden.Hamsterfahrten aus den Städten auf’s Land waren üblich. Mein Vater erzählte, dass er als Polizist in Helmstedt mit Braunkohle beladene Züge bewachen musste, damit nicht allzu viel Brennmaterial verschwand. Ein ewiger Student gab Ende der 60er immer wieder zum Besten, wie es war an der Hamburger Uni kurz nach dem Kriege. Seine Vorlesungsnotizen machte er auf dem Rand von Zeitungen.

Als Ida Rabe 1947 in die neugegründete weibliche Schutzpolizei in Hamburg eintritt, ergeht es ihr ähnlich wie dem Studenten damals: Papier gibt es nicht und so schreibt sie Berichte auf Bögen alter Akten. Sie erlebt Kohleklau, Schwarzmarkt und Hamsterfahrten von Frauen in die Vierlande, wo sie ihre letzte Habe gegen ein paar Kartoffeln oder anderes Essbare eintauschen.

Die weibliche Schutzpolizei wurde damals in der britischen Besatzungszone in Ermangelung männlicher Polizeikräfte etabliert. In einem Crashkurs wurden junge Frauen in wenigen Wochen auf ihre Arbeit vorbereitet, die darin bestehen sollte, Kinder, Jugendliche und Frauen „kümmern“, die in irgendeiner Weise als Täter oder Opfer von kleinen Verbrechen geworden waren. Durch Streife gehen sollten sie auf dem Schwarzmarkt illegale Geschäfte verhindern, bei anderen Gelegenheiten durften sie ihre männlichen Kollegen dabei unterstützen, Kennkarten von Personen zu kontrollieren, Personalien festzustellen.

Langgediente Polizisten gingen davon aus, dass ihre Kolleginnen nur eine gewisse Zeit diese Aufgaben verrichten würden, bis wieder genügend Männer für den Polizeidienst rekrutiert wären. Sich zu behaupten und von den männlichen Kollegen – aber auch von der Bevölkerung – anerkannt zu werden, sollte Frauen im Polizeidienst zunächst sehr schwer fallen.

Das ist das Szenario, das Ida Rabe in den ersten Tagen auf der Davidwache und bei ihren ersten Diensten in der Stadt erlebt.

Ina Rabe gefällt die Rolle der gerade gelittenen und gern gedemütigten Polizistin nicht. Und schon kurz nach ihrem Eintritt in den Polizeidienst möchte sie mehr als diese oktroyierte Rolle ausüben. Als auf dem Lande eine zerstümmelte weibliche Leiche gefunden wird, schießt sie über ihren Aufgabenbereich hinaus, beginnt sich Gedanken zu machen und Nachforschungen anzustellen, die weit über das hinausgehen, zu dem sie als Schutzpolizistin vorgesehen ist – zum Unwillen ihrer britischen Vorgesetzten und Vertretern der Kriminalpolizei. Lediglich in dem Rechtsmediziner mit griechischen Wurzel hat sie einen Zuhörer und mit der Zeit auch einen Unterstützer. Dabei erfährt Ida, dass die Tote regelrecht ausgeweidet wurde und von anderen Frauen, die in den Vierlanden zum Hamstern waren, hört sie von Vergewaltigungen und üblen Misshandlungen. Ein Monster scheint in der ländlichen Gegend sein Unwesen zu treiben.

Idas Tätigkeiten werden immer wieder durch kurze Kapitel unterbrochen, in denen eine zunächst unbekannte Frau über ihr Leid sinniert, das ihr zugefügt wurde, das sie den Übeltäter bestrafen will, ihn töten will. Die junge Schutzpolizistin reist in die Vierlande, um dem mutmaßlichen Monster näher zu kommen, kommt ihm auch näher. Und das Monster ihr! Zum Glück – soviel sei hier verraten – entkommt Ida aus dieser Situation und erkennt, was in Vierlanden mit den Hamsterinnen wirklich passiert. Schließlich findet sie auch Gehör bei den Herren der Kriminalpolizei und bringt es zu einer gewissen Anerkennung ihrer Arbeit und ihrer Person.

Es gibt in Lea Steins Altes Leid einige Nebenhandlungen, die einerseits den Alltag der notleidenden Bevölkerung in Hamburg beschreiben, auch die kleinkriminellen Handlungen die zum Überleben notwendig erschienen. Bettler, stehlende Kinder, Frauen, die durch Prostitution Zigaretten und ein bisschen Nahrung verdienen, gehören dazu. Zudem erfahren wir über das Leben der ausgebombten Bevölkerung, von Flüchtlingen, die in Notunterkünften wie Weltkriegsbunkern unter unmenschlichen Verhältnissen darben. Auch Ida gehörte nach einem traumatischen Erlebnis auf Amrum und ihrer Flucht von der Insel nach Hamburg zu diesen ums Überleben kämpfenden Menschen. Sie hat den Absprung geschafft, ohne ihre Zeit im Bunker zu vergessen.

Lea Stein hat Rosamunde Pietsch , die „Mutter aller Polizistinnen“, die 1945 ihre Ausbildung bei der Hamburger Polizei begann und später dort Kommissarin wurde, als historisches Vorbild für Ida Rabe genommen. Über die Lebensverhältnisse mit all dem Elend, mit Hamsterfahrten, Kleinkriminalität, Prostitution und Vergewaltigungen hat Lea Sein ausführlich recherchiert und so ein Zeitdokument innerhalb eines spannenden Kriminalromans geschaffen. Besonders eindrucksvoll sind aber auch die Geschichte der ersten Zeit nach dem Krieg, in der Frauen in den Polizeidienst aufgenommen wurden und die Rolle vieler männlichen Kollegen, die sich mit Unwillen und Arroganz dieser Entwicklung verschließen oder gar ihre neuen Kolleginnen diskreditieren und demütigen wollten. Und diese Einstellung hat sich bekanntlich noch bis vor Kurzem in einigen Bereichen gehalten.

Altes Leid ist ein gelungener, facettenreicher Kriminalroman, angekündigt als Auftakt zu einer Reihe mit der Polizistin Ida Rabe. Eine Reihe, der ich viel Erfolg prognostiziere, wenn es Lea Stein gelingt, auf diesem Niveau weiter zu schreiben.

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Lea Stein: Altes Leid, erschienen im Heyne Verlag, 2023

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Christoph Görg: Isengrim – Ein „Historischer Kriminalroman“

Niki hatte 2017 einen schweren Unfall, stürzte von der Mauer der Burgruine Dürnstein, nahe der österreichischen Stadt Krems. Als er wieder bei Bewusstsein ist, befindet er sich im Jahr 1193. Ein Zeitreisender, der am Ort des Unfalls auf Richard Löwenherz trifft und in zwei vorhergehenden historischen Romanen mit und ohne den englischen König einige Abenteuer erlebt.

Isengrim, der 3. Band dieser Reihe, beginnt am Abend von Allerheiligen im Jahr 1194, einen Tag bevor Niki seine Engeltrud heiraten will. Während sie mit Freunden in einer Taverne sitzen, wird eine Freundin von Engeltrud, die Bademagd Magdalena, brutal ermordet. Niki findet die Leiche und beginnt mit seiner Braut und einem Freund nach dem Mörder zu suchen. Es kommt, wie es kommen muss: die Suche ist nicht einfach, Niki selbst gerät unter Mordverdacht. Für die meisten Bewohner des Städtchen Krems ist allerdings klar, wer die grausamen Morde verübt: ein Werwolf, den sie Isengrim nennen.

Natürlich kennt Niki die Ermittlungsmethoden der Neuzeit und muss mit seinem Wissen hin und her jonglieren, um nicht seine Vergangenheit aus dem 21. Jahrhundert zu verraten.

Christoph Görg erzählt die Geschichte dieses Zeitreisenden mit allen Haken und Ösen, in die sich der gut 800 Jahre vor seinem Unfall zu verfangen droht.

Eine locker geschriebene Story. Wer eine penibel recherchierte Darstellung des Lebens und genauer Fakten jener Zeit erwartet, wird nicht zufrieden sein. In Isengrim geht es jedoch mehr um eine weitgehend erfrischende Geschichte, ein bisschen Spannung und einiges an Sex, zum Teil auch abstoßenden.

Sieht man von den derben Sexszenen und der nur teilweise authentischen Verortung im ausgehenden 12. Jahrhundert ab, bleibt noch ein guter Teil nette Unterhaltung übrig, in denen die Unterschiede der Lebensweise und -umstände der verschiedenen Zeiten beschrieben werden.

Ob das den Freunden historischer Kriminalromane – denn als solcher wird Isengrim ausgelobt – genug ist? Ich kann es mir nicht vorstellen.

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Christoph Görg: Isengrim, erschienen im Goldegg Verlag (2022)

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Malla Nunn: Lass die Toten ruhen – Band 2 des vierteiligen Emmanuel-Cooper-Zyklus

Acht Monate nach seinem Ausscheiden aus dem Polizeidienst, nachdem er bei den Ermittlungen zum Tode eines lokalen Polizeichefs alle Vertuschungsversuche dessen Familie und der Security Branch zur Seite geschoben hat (Ein schöner Ort zum Sterben), treffen wir Emmanuel Cooper 1953 in Durban, Südafrika, wieder. Dort hat er Arbeit auf einer Werft gefunden, doch nachts beobachtet er Diebstahl und Schmuggel, an denen korrupte Polizeibeamte beteiligt sind. Diesen Nebenjob hat er seinem alten Boss, Major Van Niekerk, zu verdanken, für den er undercover auf dem Güterbahnhof nahe der Lagerhäuser verdächtige Fahrzeugbewegungen observiert. Dabei stößt er auf zwei junge Inder, in deren Nähe ein toter Junge mit durchschnittener Kehle liegt: Jolly Marks, ein Knirps, der für Nutten und andere zwielichtige Gestalten der Gegend kleine Besorgungen machte.

Und damit ist Emmanuel Cooper wieder mittendrin in den Auswirkungen der damals neuen Segregationsgesetze und alten Korruptionsskandalen. Cooper versucht, die beiden Inder vor Verdächtigungen der Polizei zu beschützen, er selbst gerät ebenfalls in Verdacht, Jolly Marks getötet zu haben. Und als dann noch seine Vermieterin und deren Dienstmädchen ermordet werden und der intergre Cooper mit Blut befleckt und dem Mordinstrument in der Hand vorgefunden wird, steht für die Polizei fest, dass der ehemalige Detective Sergant ein dreifacher Mörder ist. Zum seinem Glück hat der ehemalige Boss so großen Einfluss, dass er Cooper für 48 Stunden Freiheit zur Suche des Mörders – oder der Mörder? – gewähren kann. Hat er ihn/sie bis dahin nicht gefunden, wird Cooper mit der Aussicht auf einen Strick um den Hals verhaftet.

Es erweist sich als nahezu aussichtlos, den oder die Täter zu finden. Unerwartete Hilfe bekommt er von einer Bardame, die zudem die Geliebte Van Nienkerks ist, und Cooper zu einem einflussreiche Kriminellen der Stadt führt.

Dann stellt sich heraus, dass sich hinter den Morden an den unbedeutenden Toten ein ganz großes Ding verbirgt. Als aus einem besonderen Grund der deutsche Arzt und Jude Dr. Zweigman von Cooper gerufen wird, und der mit Zulu-Constable Shabalala – beide Helfer in „Ein schöner Ort zum Sterben“ – auftaucht, poppt die politische Bedeutung und Dimension, um die es eigentlich bei den Morden geht, auf. Cooper erfüllt die in ihn gesetzte Erwartung seines Ex-Bosses.

Für den karrieregeilen Major Van Niekerk ein Erfolg und auch für Emmanuel Cooper und seinen loyalen Helfer Shabalala.

Auch in diesem zweiten Band der Reihe um Emmanuel Cooper gibt Malla Nunn tiefe Einblicke in das Südafrika der 1950er Jahre und die Rassentrennung durch die Rassengesetze. Malla Nunn hat diesen Roman und die anderen drei dieser Reihe in jener Zeit verortet. Auch wenn der Zyklus in den Jahren ab 2008 veröffentlich wurde, so sind diese vier Bände ein authentisch wirkendes Bild jener Zeit der Apartheid-Ploitik in Südafrika, verbunden mit fiktiven spannenden Fällen, die nur so und mit diesem Personal hätten geschehen können.

Ein Südafrika, dass ich aus dieser Perspektive und so eindrucksvoll noch nicht erlebt habe.

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Malla Nunn: Lass die Toten ruhen – Band 2 des vierteiligen Emmanuel-Cooper-Zyklus. Deutschsprachige Neufassung von Else Laudan auf Grundlage der Übersetzung von Armin Gontermann, erschienen im Argument Verlag (2022), die deutsche Erstausgebe erschien bei Rütten & Loening (2011)

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Emmanuel-Cooper-Zyklus

Band 1: Ein schöner Ort zum Sterben

Band 2: Lass die Toten ruhen

Band 3: Tal des Schweigens

Band 4: Zeit der Finsternis

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Die fehlende Angst bei BLUTMOND von JO NESBØ

Als Fan der Harry Hole-Reihe des schwedischen Autors und Musikers ist man entweder begeistert von den Ups und Downs des Helden, der zudem in jedem Roman nur knapp dem Tod entgeht, häufig auch mit sichtbaren Blessuren. Inzwischen trägt er einen Finger aus Metall, sein Gesicht ist gezeichnet von dem Vorfall mit dem Leopoldsapfel.

Andere Fans fasziniert Nesbøs Kreativität, was die Art der Mordinstrumente und Mordarten betrifft, die zum Glück bei Harry Hole bisher als Opfer nicht zum Erfolg geführt haben. Für mich gehören neben dem Leopoldapfel in Leopard das gar nicht so seltene Instrument in Schneemann sowie eine Konstruktion, die bei Benutzung durch den Mörder den Eindruck erweckt, dass die Geschichte etwas mit Vampirismus zu tun hat – Durst ist der Titel jenes Bandes der Reihe. Ich zähle mich zur zweiten Art der Fans und werde auch bei Blutmond nicht enttäuscht.

Zwei Frauen verschwinden innerhalb kurzer Zeit, beide waren auf der Party eines stinkreichen Osloer Immobilienmaklers namens Røed. Der gerät ins Visier der Ermittler, die nicht wissen, wie sie dem Täter auf die Spur kommen können, nachdem eine der Frauen tot mit entnommenem Gehirn aufgefunden wurde. Dazu wurde die Schädeldecke geöffnet, wieder vernäht und die Haare über die Naht gezogen. Katrine Bratt, die die Ermittlungen leitet, bittet ihre Vorgesetzen darum, ihren Ex-Kollegen Harry Hole zu Rate zu ziehen, der sich nach Amerika abgesetzt, aber über die größte Expertise über Serienmörder verfügt. Bratts Vorschlag wird abgelehnt. Aber auch der Rechtsanwalt des Immobilienmaklers kommt auf die Idee, Harry zu engagieren, um den tatsächlichen Mörder zu ermitteln und die Unschuld seines Mandanten zu beweisen.

Doch es ist gar nicht so einfach, Harry zu finden, der sich dieses Mal in Los Angeles versucht, in den Tod zu saufen. Doch weil der Ex-Kommissar das Leben einer alten Filmdiva retten, indem er ihre Schulden in Millionenhöhe den Entführern zahlen will – und er auch noch von dem Rechtsanwalt in L.A. aufgespürt wird -, kommt es zum Deal zwischen Røed und Hole. Innerhalb von 10 Tagen muss er den Täter identifizieren, dafür soll er den Betrag zum Begleichen der Schulden bekommen.

Inzwischen ist in einem Waldstück bei Oslo nicht weit vom Fundort der ersten Leiche die zweite vermisste Frau gefunden worden. Hier hat der Mörder wiederum ddie Schädeldecke aufgesägt und das Gehirn entnommen.

Sind die Gehirne die Trophäen? Diese Frage stellt sich Katrine Bratt ebenso wie Harry. Die beiden, die vor langer Zeit einmal eine Beziehung hatten, informieren sich gegenseitig über den Stand ihrer Erkenntnisse.

Und dann gibt es da noch Prim, der sich durch den Plot schlängelt, immer wieder auftaucht, nie aber vom Leser zu identifizieren ist, Ein Phantom, das so gar nicht zu existieren scheint. Hinweise erhält der Leser mehrfach, wer der wahre Prim sein könnte. Sie sind jedoch nach Nesbøs Art so gestrickt, dass sie nicht ausreichen, um den richtigen Faden zum Täter aufzunehmen. Und es dauert auch geraume Zeit, bis sich die Red Herrings erkennen lassen und das Motiv entdeckt wird, das aber zunächst immer noch nicht zum wahren Täter führt. Ist dieser erkannt, ergibt sich eine ganz normaler, logischer Ablauf.

Nicht normal ist jedoch die Art, in der sich der Mörder seinen späteren Opfern nähert, wie er sie manipuliert, um sie zu dem zu machen, was er benötigt, damit der Mörder selbst überleben kann. Und diese Methode ist das Faszinierende. Damit ist es Jo Nesbø wieder einmal gelungen, die Leser mit einem Stoff zu fesseln, der nicht alltäglich ist, der sicherlich auch eine umfangreiche und tiefgehend Recherche erfordert hat.

Respekt, Jo Nesbø! Für diesen Einfall und den spannenden Krimi – und auch die Lektion über die Geschichte des Lügendetektors, die wie selbstverständlich in den Plot eingefügt wurde.

Nebenbei: Ich habe mich, während ich das Buch las, daran gemacht, über die Fakten zu recherchieren, die zu fehlender Angst führen. Aufgrund meines naturwissenschaftlichen Backgrounds kann ich bestätigen, dass das, was Jo Nesbø eingefallen ist und wie er die Vorgänge beschrieben und zu dieser Story kombiniert hat, in hohem Maße zu schätzen sind. Ich bin begeistert von Blutmond und der Beschreibung des Phänomens der fehlenden Angst.

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JO NESBØ: BLUTMOND – Harry Hole ermittelt, Ullstein (2022), übersetzt von Günther Frauenlob

Originaltitel: Blutmåne, Norwegen (2022)

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Bisher auf KrimiLese besprochene Bücher von Jo Nesbø

Harry-Hole-Reihe

Band 6:  Der Erlöser (Norwegen 2005, dt. 2008)

Band 7: Schneemann (Norwegen 2007, dt. 2009)

Band 8: Leopard (Norwegen 2009, dt.2009)

Band 9: Die Larve (Norwegen 2011, dt. 2011)

Band 10:  Koma (Norwegen 2013, dt. 2013)

Band 11: Durst (Norwegen 2017, dt.2017)

Band 12: Messer (Norwegen 2019, dt. 2019)

Band 13: Blutmond (Norwegen 2022, dt. 2022)

Blood on Snow-Reihe

Teil 1: Blood on Snow, Der Auftrag (Norwegen 2015, dt. 2015)

Teil 2: Blood on Snow, Das Versteck (Norwegen 2015, dt. 2016)

Stand -Alone

 Headhunter (Norwegen 2008, dt. 2010)

 Der Sohn (Norwegen 2014, dt.2014)

Ihr Königreich (Norwegen 2020, dt. 2020)

Eifersucht – Sieben Short Stories (Norwegen 2021, dt. 2021)

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Sanne de Boer: ´Ndrangheta. Wie die mächtigste Mafia Europas unser Leben bestimmt

Die niederländische Journalistin beschreibt, wie die mächtigste Mafia Europas Einfluss auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft nimmt. Und was dagegen unternommen wird – oder nicht.

Viele Jahre wurden die Aktivitäten, der kalabrischen ´Ndrangheta sowohl in Italien, besonders aber in Deutschland und den Niederlanden nicht ernst genommen. Mit Drogenhandel und Geldwäsche sowie durch Korruption haben sich die süditalienischen Familienclans riesige Vermögen erwirtschaftet. Die Verfolgung von Verbrechen endete in Italien oftmals mit der Ermordung von Ermittlern und Mitgliedern der Familien, die sich nicht an die Verschwiegenheit hielten. Mit einer Schießerei, bei der in Duisburg sechs Personen vor einem italienischen Restaurant getötet wurde, wurde die Organisation auch in Deutschland bekannt.

Sanne de Boer berichtet über die Ursprünge und die Geschichte der ´Ndrangheta, deren Strukturen und Aktivitäten. Sie gibt Beispiele, wie sich ihre „Geschäftsfelder“ entwickelt haben, so die Beherrschung weiter Teile der Abfallwirtschaft und der Bautätigkeit im öffentlichen Raum Italiens. Dabei nutzt sie Quellen, die der Organisation sehr nahe stehen oder standen, spricht mit Ermittlern und Geschädigten. Wir lesen über den Verhaltenskodex der Mitglieder und die Rituale beim Aufstieg in der Hierarchie der weitgehend dezentralen Organisation. „Eine stinknormale Familie“ ist das, was die Clans nach außen darstellen wollen – und ihnen zu lange in den Niederlanden und Deutschland von Politik und Ermittungsbehörden geglaubt wurde.

Petra Reskis Bemühungen vor Jahren – auch darüber berichtet de Boer – wurden nicht ernst genommen oder unterdrückt, sogar mit Gerichtsverfahren und Urteilen zu Lasten Reskis. Nun ein neuer Versuch, die Machenschaften darzustellen.

Der aktuelle Korruptionsskandal im Europaparlament, bei dem die Beteiligung der Mafia oder einer einflussreichen kriminellen Vereinigung (noch) nicht nachgewiesen ist, die Clankriminalität in Berlin, NRW, Bremen und anderswo, zeigen, dass häufig und noch immer mit viel zu harmlosen Mitteln und oftmals zu geringem Interesse versucht wird, mafiös organisiertes Verbrechen zu bekämpfen.

Auch wenn Sanne de Boer die neuesten Ereignisse wegen der Aktualität nicht in ihr Buch einfließen lassen konnte, versucht sie doch die Verantwortlichen aufzurütteln, indem sie vor der Arbeitsweise der ´Ndangheta und somit auch anderer mafiöser Strukturen und Clans und der davon ausgehenden Gefahr und den Schäden warnt.

Dieses Buch sollte zur Pflichtlektüre von Politikern und Strafverfolgern erklärt werden, damit ihnen die bisherigen Versäumisse bewusst werden. Für alle anderen ist es die Darlegung der Stärken der ´Ndrangheta und die Schwäche der Gesellschaft, sich dagegen zu wehren.

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Sanne de Boer: ´Ndrangheta. Wie die mächtigste Mafia Europas unser Leben bestimmt, Aufbau Verlage (2022), Übersetzung: Christiane Burkhardt und Gerd Busse

Die Originalausgabe ist 2020 in den Niederlanden erschienen, Titel: Mafiopoli. Een zoektocht naar de `Ndrangheta, de machtigste maffia van Italië

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Der einsame Weg des suspendierten Chief Superintendent der Sûreté du Quebéc Armand Gamache: LOUISE PENNY: AUF EINEM EINSAMEN WEG

Den 14. Fall für Gamache bezeichne ich als „Zopfroman“, weil er drei Handlungsstränge beinhaltet, die hier miteinander wie ein Zopf verknüpft sind.

Der erste wird aus dem 13. Fall, Hinter den drei Kiefern, fortgeführt. Nach einem Desaster für Armand Gamache bei der Bekämpfung der Drogenmafia wurde er als Chief Superintendent der Sûreté du Quebéc suspendiert. Nun kämpft er darum, dass die Drogen, die durch seine verfehlte Strategie verschwunden sind und tödlich für Tausdende von Junkies sein können, wiedergefunden werden. Dafür geht er einen Weg, der ebenso fragwürdig ist. Zudem ist die Untersuchung über sein Vorgehen beim schief gelaufenen Einsatz noch nicht beendet. Noch ist er nicht rehabilitiert, die Suspendierung nicht rückgängig gemacht worden.

Im zweiten Strang erzählt Louise Penny die Geschichte, in der eine verstorbene Putzfrau, die sich Baronin nannte, Gamache zusammen mit der Buchhändlerin Myrna aus Three Pines und einem den beiden unbekannten Handwerker zu Testamentsvollstreckern ernannt hat. Die Verstorbene scheint den Dreien unbekannt zu sein. Verwunderlicher ist allerdings, dass sie testamentarisch verfügte, ihre drei Kinder jeweils mit einem Millionenerbe zu bedenken. War die Putzfrau nicht mehr ganz klar im Kopf, als sie das Testament geschrieben hat? Die Frage stellen sich die Testamentsvollstrecker.

Recherchen führen dabei zu einem 161 Jahre alten Testament. Das ist der dritte Strang des Zopfes. Und wie man einen solchen mit verschiedenen Techniken wie Flechten, Verknüpfen und Verzwirbeln herstellen kann, so ist es auch hier. Nur bedient sich Louise Penny des Perspektivenwechsels, springt in Zeit und wechselnden Orten. Zum Schluss werden die Stränge verknotet, wobei der eine wohl noch in den 15. Fall für Gamache mit den Folgen für den Ex-Chief Superintendent der Sûreté du Quebéc übergehen wird.

Das einzige, worauf sich unser lieb gewonnener Held Armand dabei verlassen kann, ist die Gemeinschaft von Three Pines, bei der die schrullige Dichterin Ruth Zardo ihren großen Auftritt hat – live und als Porträt, das die Malerin Carla von ihr angefertigt hat. Selbstverständlich steht Gamaches Ehefrau Reine-Marie ihm zur Seite. Doch wie verhält sich Schwiegersohn Jean-Guy, der ja mit verantwortlich war, als bei der Zerschlagung des Drogenkartells eine große Menge der tödlichen Droge verschwand? Für Jean-Guy stellt sich die Frage, wieweit er in seiner Loyalität gehen kann, ohne sein eigenes Leben und das seiner Familie zu zerstören.

Jeder dieser Stränge und das Drumherum in Three Pines ist in der Art geschrieben, die wir von Louise Penny kennen und schätzen. Dazu gehört das „Fuck Fuck Fuck“ von Rosa, Ruths Kodderschnauze, das umtriebige Gehabe von Oliver und Gabri sowie anderen vertrauten Personen in deren Umfeld.

Wer vom 1. Fall für Gamache dabei ist, wird sich selbst wie ein Teil der Gemeinschaft von Three Pines und als guter Bekannter von Armand Gamache vorkommen. Denjenigen, die nicht zu diesem Kreis gehören und jetzt erst auf die Buchreihe stossen, sei geraten, zumindest den 13. Fall vor diesem aktuellen zu lesen, da dieser Band einen wesentlichen Bezug zu Gamaches Agieren dort hat.

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Louise Penny: Auf einem einsamen Weg – Der 14. Fall von Gamache. Erschienen im Kampa Verlag (2022), Übersetzung: Andrea Stumpf und Gabriele Werbeck, Originaltitel: Kingdom of the Blind (USA, 2018)

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Bisher besprochene Bände der Reihe:

Band 1:  Das Dorf in den roten Wäldern

Band 4: Lange Schatten

Band 5: Wenn die Blätter sich rot färben

Band 6: Heimliche Fährten

Band 7: Bei Sonnenaufgang

Band 8: Unter dem Ahorn

Band 9: Der vermisste Weihnachtsgast

Band 10: Wo die Spuren aufhören

Band 11: Totes Laub

Band 12: Auf keiner Landkarte

Band 13: Hinter den drei Kiefern

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Skurrile Charaktere, absurde Szenen in LARS LENTH: TÖDLICHER NORDWIND

Das Setting: Eine Insel in einer abgelegenen Gegend von Norwegen. Da, wo das skandinavische Tier seine Ohren hat. Darauf ein Windpark, daneben eine alte Steinhütte. Außerdem ein ehemaliges, zerfallendes Hotel, das etliche Jahre als Unterkunft für Asylanten betrieben wurde.

Das Personal: Agnes, die Betreiberin des Windparks und Eigentümerin des ehemaligen Hotels, über 80 Jahre alt, ein rücksichtsloser Profitgeier. Asylsuchende wurden von ihr gnadenlos ausgebeutet, der Staat gleich mit. Zwei Söhne sind die willfährigen Handlanger. Die „schmutzigen Arbeiten“ erledigen Zwillinge aus der Umgebung, die schon mal widerspenstige oder nicht gehorsame Geflüchtete vor der Küste versenken. Die Tochter der alten Dame hat sich schon vor Jahrzehnten abgesetzt, sich der Mutter entzogen und lebt jetzt mit Leo Vangen, zusammen. Dem Rechtsanwalt, bekannt aus dem vorhergehenden Kriminalroman des Autors ( Der böse Wolf von Østerdahlen). Ebenfalls bekannt, ist Leos Freund, Rino, der sich stets vor der Polizei versteckt, unter anderem wegen bestimmter Ereignisse damals in Østerdahlen. Ihm hat Leo die Steinhütte neben dem Windpark vermittelt, in der Rino das Leben genießt und den ehemaligen Lehrer und Windparkhasser Fink kennenlernt.

Die Lage: Agnes möchte die letzten Jahre ihres Lebens in Oslo genießen und ihren Besitz – Windpark und Hotel – verkaufen. Rücksicht auf die Befindlichkeiten ihrer Söhne nimmt sie dabei nicht. Denen entzieht sie damit die Lebensgrundlage und vererben will sie ihren Kindern auch nichts. Den Erlös sollen größtenteils rechtsextreme Organisationen erhalten, die sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen einsetzen und das Land vor der Übernahme durch Islamisten bewahren wollen. Bis es aber soweit kommt, hat sie noch ein Problem: Die Kaufinteressenten beabsichtigen, den Windpark nur zu übernehmen, wenn sie das Nachbargrundstück mit der Steinhütte ebenfalls pachten oder kaufen können. Und Bewohner Rino macht keine Anstalten auszuziehen. Folglich bekommen die Zwillinge den Auftrag, die Hütte von ihrem Bewohner zu befreien. Doch der hat die Mittel, sich zu wehren, setzt sie auch ein. So fährt dann einer der Zwillinge irgendwann Karusell am Flügel eines Windrads und es kommt noch schlimmer. Am Ende steht das große Chaos, das allerdings nicht jeder des Personals erlebt.

Es geht turbulent zu bei Agnes, dem Profitgeier, der Islam- und Alle-die-mit-diesem-Glauben-im-Land-sind Hasserin, der Egoistin, die nicht die geringste Empathie gegenüber ihren Kindern zeigt. Mit einem Wort: Eine äußerst miese Ratte!

Auch Leo Vangen kann da nichts schlichten, richten oder umstimmen. Und während alle subalternen Familienmitglieder dieser Ratte ausgeliefert sind, geht Rino seinen Weg, räumt ab, was abgeräumt werden muss. Zurück bleibt: NICHTS.

Fazit: Wenn dieser Punkt Fremdenhass und Islamhass nicht so im Mittelpunkt der Handlungsweise von Agnes stehen würde, könnte man bei Lesen ständig über die skurrilen Typen und absurden Szenen schmunzeln. Aber die Gegensätze sind es, die diesen „Ökokrimi“ – so im Untertitel ausgelobt – spannend und interessant machen.

– – – O – – –

Lars Lenth: Tödlicher Nordwind, erschienen bei Limes (2022), übersetzt von Frank Zuber., Vierter Band der Leo-Vangen-Reihe. Originaltitel: Norske Tilstander (2020)

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