Gewissen vs. Gesetz: LOUISE PENNY – HINTER DEN DREI KIEFERN. Ein Fall für Gamache. (Der 13. Fall)

Sie hatten den Krieg verloren. Das wusste er. Und doch kämpften sie weiter, denn aufzugeben war noch schlimmer.

Er, Chief Superintendent der Sûreté du Quebéc, Armand Gamache, war bei seiner Ernennung zum Leiter dieser Organisation angetreten, um die Korruption innerhalb der Sûreté zu beseitigen und gegen den immer stärker werdenden Drogenhandel zu kämpfen. Doch der Einfluss der Drogenbosse wurde immer größer. Gamaches Hoffnung, ihn unter Kontrolle zu bringen, immer geringer.

Zu dieser Zeit taucht auf dem Dorfanger neben den drei Kiefern im Örtchen Three Pines – Wohnort Gamaches – eine seltsame Gestalt auf, in einen schwarzen Frack gekleidet und mit Maske. Sie steht einen ganzen Tag bewegungslos da, auch einen zweiten Tag. Zunächst sind die Einheimischer verwundert über diese Erscheinung, die sich nicht rührt und nicht spricht, im Laufe der Stunden zunehmend verängstigt. Sie erwarten von Gamache, dass er etwas unternimmt, damit die Gestalt verschwindet. Sie tut nichts Rechtwidriges, der Chief Superintendent kann nichts machen. Ob dieses „Es“ nach spanischem Vorbild einen Cobrador, ein Schuldeneintreiber, darstellen soll, oder ein Gewissen, das jemanden an eine schlechte Tat erinnern soll, wird spekuliert und wen will es ermahnen oder bloßstellen.

Dann verschwindet die Gestalt, wird kurz darauf allerdings tot von Gamaches Frau gefunden.

Monate später steht Gamache als Zeuge der Anklage vor Gericht, er wird zu den Vorgängen befragt, die sich damals im sonst so friedlichen Three Pines ereigneten und seiner Rolle, die er dabei spielte. Nach und nach kommt heraus, was passierte, erzählt im Wechsel von Gegenwart und dem Damals. Ein Puzzle, bei dem lange entscheidende Teile fehlen. Zudem ist Gamaches Verhalten so eigenartig, dass er in den eigentlichen Mittelpunkt dieses Kriminalromans rückt. Einerseits scheint den Chief Superintendent mehr die Sache mit den Drogenkartellen zu beschäftigen als die Aufklärung des Mordes. Andererseits ist da noch die moralphilosophische Frage, ob das Gesetz nicht in Ausnahmesituationen dem Gewissen unterzuordnen ist. In solch einer Situation steckt Gamache, als er im Zeugenstand unter Eid aussagt.

„Das Gesetz ist manchmal dumm und blind“, sagt er an anderer Stelle zu Reine-Marie, seiner Frau. Mit einem Verhalten gemäß Gandhi’scher Weisheit, dass das Gewissen zuweilen über das Gesetz gestellt werden sollte, begibt er sich in eine Zwickmühle, in die er auch andere mit hineinzieht. Gemeinsam haben sie sich auf diesen Weg begeben und vereinbart:

Verbrennen wir die Schiffe hinter uns!“

Was das bedeutet ist klar. Wenn sie bei in der großen Sache Erfolg haben wollen, setzen sie ihren Ruf, ihr Karriere, alles, was sie im Leben erreicht haben, auf’s Spiel. Aber auch, wenn alles gut abläuft, wird es für Gamache, seine Verbündeten und Vertrauten nicht mehr so sein wie zuvor.

Was beim großen Showdown passiert, ob der Krieg in irgendeiner Weise doch gewonnen werden kann, welche Verluste – denn die gibt es bei jedem Ausgang – zu beklagen sind, darauf führt Louise Penny in hervorragender Weise ihre Leser hin. Dabei entwickelt sich ein Spannungsbogen, der Dynamik und Überraschungen enthält, die so nicht erwartet werden. Dass dabei der Mord von Three Pines geklärt wird, ist eine nette Zugabe.

Zum Schluss kehrt wieder Frieden in Three Pines ein. Wie die, die die Schiffe verbrannt haben überleben, werden wir im nächsten, dem 14. Fall für Gamache (Titel: Auf einem einsamen Weg) erfahren.

Der hier besprochene 13. Band der Chief Inspector/Superintendent Armand Gamache-Serie war der erste Band, der im Kampa Verlag 2018 erschienen ist. Damals war es beim Lesen nicht einfach, die stimmige Stimmung des Dorfes Three Pines und seiner Bewohner zu erfassen und zu spüren. Im Laufe der Jahre/Bände zogen auch Armand Ganmmache und Ehefrau Reine-Marie in diesen Ort.

Inzwischen sind alle vorherigen Bände der Serie bei Kampa erschienen und bereits Band 14, der 15. Band erscheint am 10.11.2022. Wir haben erlebt, wie sich ein Band auf dem anderen aufbaut. Nehmen am Leben von Three Pines teil. Verfolgen die Entwicklung der Gemeinschaft und der Individuen. Zuweilen erscheint es, als werden wir als Leser/Betrachter ein Teil der Dorfgesellschaft. Dennoch sollte sich niemand genötigt sehen, beim Lesen die numerische Reihenfolge der Bände einzuhalten. Jeder Band für sich beinhaltet eine abgeschlossene Geschichte, allerdings verbunden durch das Leben der Bewohner von Three Pines – und dieser Fixpunkt macht es dann doch interessant, die Bände in der Reihenfolge zu lesen, wie sie von Louise Penny geschrieben wurden.

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Louise Penny: Hinter den drei Kiefern. Erschienen im Kampa Verlag (2018), übersetzt von Andrea Stumpf und Gabriele Werbeck. Originaltitel: Glass Houses (USA, 2017)

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Bisher besprochene Bände der Reihe:

Band 1:  Das Dorf in den roten Wäldern

Band 4: Lange Schatten

Band 5: Wenn die Blätter sich rot färben

Band 6: Heimliche Fährten

Band 7: Bei Sonnenaufgang

Band 8: Unter dem Ahorn

Band 9: Der vermisste Weihnachtsgast

Band 10: Wo die Spuren aufhören

Band 11: Totes Laub

Band 12: Auf keiner Landkarte

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Malla Nunn: Ein schöner Ort zum Sterben – Band 1 des vierteiligen Emmanuel-Cooper-Zyklus

Nachdem vor einigen Jahren bei Ariadne die Bände 3 und 4 des Emmanuel-Cooper-Zyklus erschienen sind, publiziert der Verlag nun die lange Zeit vergriffenen Bände 1 und 2 in einer überarbeiteten Übersetzung.

Ein schöner Ort zum Sterben ist der erste Band, angesiedelt im Südafrika von 1952, als die Apartheid-Politik des Staates mit zahlreichen Gesetzen, insbesondere Segregationsgesetzen, die „Rassentrennung“ weiter manifestierte. Zu der Zeit wurde ebenso die Security Branch gegründet, eine Polizeiorganisation für Staatssicherheit, die auch zur Bekämpfung Oppositioneller, insbesondere von Kommunisten eingesetzt wurde.

DS Emmanuel Cooper wird zu dieser Zeit in eine kleine Burenstadt nahe der Grenze zu Mosambik zu einem möglichen Gewaltverbrechen beordert. Als er ankommt, erfährt er von der Leiche des erschossenen Polizeichefs der Stadt, die aus dem Grenzfluss geborgen wurde. Der Fluss dient Schmugglern als Möglichkeit zum Grenzübertritt, aber auch anderen, Oppositionellen des Regimes, die ungesehen Flugblätter einschleusen, mit denen Stimmung gegen die Regierung gemacht werden soll.

Polizeichef Willem Pretorius war mit seinen fünf Söhnen der Herrscher der Stadt, unter Buren und anderen Weißen hochgeachtet, anscheinend immer bemüht, Gerechtigkeit auch gegenüber Mischlingen, eingewanderten Nichtweißen und Schwarzen zu zeigen.

Während Cooper versucht, den Mord in sorgfältiger Polizeiarbeit unabhängig von Segrationsgesetzen und anderen politischen Interessen der Regierungspartei aufzuklären, wird ihm der Fall nach kurzer Zeit entzogen. Die Security Branch übernimmt, die politische Richtung ist klar: Der integre Polizeichef kann nur durch einen Staatsfeind, mutmasslich einen Kommunisten, ermordet worden sein. Cooper wird auf einen Nebenschauplatz abgeschoben, er soll sich um einen Triebtäter kümmern, der auf dem Weg zwischen der Stadt und der Location für die Eingeborenen Frauen belästigt haben soll. Sollte der Detective Sergeant dennoch den Leuten der Security Branch in die Quere kommen, würde er mit brutaler Gewalt davon abgehalten werden. Unterstützt wird die Security Branch von den Söhnen des toten Polizisten, die das Bild ihres Vaters schützen wollen.

In diesem politischen und sozialen Gemenge kommt Emmanuel Cooper auf die Spur des Triebtäters sowie dem Mörder nahe. Es entwickelt sich eine Story, die sich nur in diesem Land als Folge der Apartheidpolitik und den poitischen Verhältnissen erzählt werden kann.

Cooper ist ein kleines Puzzleteil, mehr ein Sandkorn, mit der Gefahr zerrieben zu werden zwischen seinem Anstand einerseits und den Ansichten und Interessen der herrschenden weißen Klasse und deren Handlanger. Was er dabei erfährt und wie es ihn trifft, wird in diesem und den anderen drei Bänden des Zyklus einfühlsam und beeindruckend von Malla Nunn erzählt. Eingebettet in ein dunkles Stück Geschichte dieses multiethischen und multikulturellen Staates, für die die europäischen Siedler verantwortlich sind.

„Ein schöner Ort zum Sterben“ hinterlässt einen nachhaltigen Eindruck, wobei der Krimipart nicht zu kurz kommt. Malla Nunn versteht es ebenso, einen spannungsreichen Plot aufzubauen und zu einem in diesem Gemenge logischen Ende zu führen.

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Malla Nunn: Ein schöner Ort zum Sterben. Erster Band des vierteiligen Emmanuel- Cooper-Zyklus, erschienen bei Ariadne im Argument Verlag (2022). Deutschsprachige Neufassung auf Grundlage der Übersetzung von Armin Guntermann (2009, Rütten & Loening). Lektorat: Jan Karsten und Else Laudan

Originaltitel: A Beautiful Place to Die (2008)

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Emmanuel-Cooper-Zyklus

Band 1: Ein schöner Ort zum Sterben

Band 2: Lass die Toten ruhen

Band 3: Tal des Schweigens

Band 4: Zeit der Finsternis

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Javier Cercas: Die Erpressung (Terra Alta 2)

Seit Comisario Melchor Marin in der Terra Alta den Mord an einem reichen Unternehmerehepaar aufgeklärt hat, sind einige Jahre vergangen. Der Comisario fühlt sich dort fernab von Barcelona wohl und plant, aus dem Polizeidienst auszuscheiden und ein geruhsames Leben als Bibliothekar zu führen.

Doch wie das Leben so ist, er wird in Barcelona benötigt, wo die Bürgermeisterin Opfer einer Sextortion ist: Sie wird mit einem Sexvideo erpresst. Ein diffiziler Fall, bei dem zunächst niemand weiß, wer darin verstrickt ist und in wessen Besitz sich das Video befindet. Im Laufe der Ermittlungen wird zudem der Rücktritt der Bürgermeisterin von ihrem Amt gefordert.

Andererseits hat Marin einen Kontakt zu jemanden geknüpft, von dem er etliches aus dem Leben des Exmannes der Bürgermeisterin und dessen Freunden erfährt. Der Kontakt hatte einst zusammen mit den Männern studiert und auch das Nachtleben mit allen Auswüchsen genossen. „Mit den rechten Leuten wird man was“, hatte sein Vater gesagt und so hatte er sich den reichen Schnöseln angeschlossen und einiges erlebt, von dem beim Lesen zu erahnen ist, dass es seltsame Verflechtungen mit dem Fall gibt, an dem Marin arbeitet.

Während die Bürgermeisterin gewillt ist, die finanziellen Forderungen zu erfüllen, beabsichtigen Marin und sein Vorgesetzter den Bösewicht dazu zu bringen, Fehler zu machen. Sie sehen die Angelegenheit als Schachpartie oder Langstreckenlauf. Die Verquickung von Machtbesessenheit, Korruption, Skrupellosigkeit und persönlichen Intrigen im Umfeld der Bürgermeisterin machen es nicht einfach. Dieses geschieht im Umfeld der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung.

Letztlich geht der Plan der Ermittler auf, wobei sich der lange Zeit namenlose Kontaktmann wie ein Puzzlestteil in das Gesamtbild einfügt.

Und noch etwas anderes, sehr persönliches erfährt Marin bei seinen Ermittlungen. Damit kann er ein Kapitel seines Lebens abschließen, das ihn seit dem Tod seiner Mutter beschäftigt hat.

Melchor Marin und seiner Tochter Cosette sei ein beschauliches Leben in der Terra Alta gegönnt, in das sie mit dem Ende des zweiten Bandes dieser Trilogie zurückkehren. Aber dazu wir es wohl so schnell nicht kommen. Warten wir ab, was im 3. Teil passieren wird.

– – – O – – –

P.S.: Als netter Sidekick kann die Erwähnung „eines Romans von Javier Cercas“ angesehen werden, in dem der Verfasser über einen Fall von Melchor Marin und dessen Leben erzählt, und mit dem der Comisario in diesem Buch mehrmals konfrontiert wird. Dabei fragen seine Gesprächspartner, ob es der Wahrheit entspricht oder fiktiv ist, was der Autor schreibt.

– – – O – – –

Javier Cercas: Die Erpressung – Terra Alta 2 –. Übersetzt von Susanne Lange, erschienen bei S. FISCHER (2022), Originaltitel: Independecia. Terra Alta II (Spanien, 2021)

Teil 1 der Terra-Alta-Trilogie ist unter dem Titel Geschichte einer Rache erschienen

Teil 3 ist bereits in Spanien veröffentlicht: El castillo de Barbazul

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Erica Ferencik: Ein Lied vom Ende der Welt

—– oder GIRL IN ICE, wie es treffend im Original heißt —–

Die Wahrheit über Andy herausfinden, Naaja enträtseln, gegen meine Trauer und Angst ankämpfen.“ Das ist die Mission von Val, einer Linguistin, die sie einige Flugstunden nordöstlich von Thule in Grönland erfüllen will.

Auf der Forschungsstation, auf der Zwillingsbruder Andy zusammen mit seinem Forscherkollegen und Mentor Wyatt das Gletschereis untersuchten und Beobachtungen zum Klimawandel machten, starb Andy. Für Val unter nicht geklärten Umständen. Ein Jahr später erhält Val eine Nachricht von Wyatt, in der er die Linguistin bittet, zu ihm in die Arktis zu kommen. Er habe dort ein junges Mädchen aus dem „ewigen Eis“ herausgeschnitten und wieder zum Leben erweckt. Ihr Sprache sei ihm aber unbekannt, die Sprachwissenschaftlerin möge helfen, das Mädchen zu verstehen.

Val, üblicherweise von Ängsten belastet und mit Medikamenten ein halbwegs erträgliches Leben führend – möglichst ohne ihren Wohnort zu verlassen – stürzt sich in das Abenteuer und reist in die Arktis. Zum einen aus Interesse an dem Mädchen und ihrer Sprache, die auch sie nicht versteht, vor allem aber, um die Wahrheit über den Tod ihres Zwillingsbruders herauszufinden. Dort trifft sie auf den Leiter der Forschungstation, Wyatt, einem unkalkulierbaren Menschen und auf seine Köchin, Mechanikerin und Helferin in allen Lebenslagen namens Jeanne. Zudem ist noch ein anderes Forscherpaar vor Ort und vor allem Naaja, die aus einem Eisblock aufgetauchte und wiederbelebt Achtjährige. Naaja scheint nicht aus dieser Welt zu sein, verfügt über eigenartige Verhaltensweisen, ist völlig verängstigt. Was sie spricht ist für die Kennerin der nordischen Sprachen zunächst unverständlich. Sowohl sprachlich als auch menschlich fällt der Zugang zu Naaja schwer. Außerdem wird das Mädchen zunehmend von einer rätselhaften Krankheit bgeschwächt. Anhand von Zeichnungen und Gemütszuständen Naajas erkennt Val, dass das Ende für das Mädchen naht. Diese Auftau-Wiederbelebungs-Geschichte und das, was die Zwillingsschwester über Andys Tod in Erfahrung bringt, lassen für Val den Schluss zu, dass Wyatt neben seinen Arbeiten am offiziellen Forschungsauftrag auch ein ganz anderes Interesse hat: Durch eigene Forschungsergebnisse zu glänzen. Das scheint das Motiv zu sein, das die Schicksale von Andy und Naaja zusammen führt.

Zunächst plätschert die Handlung nahezu frei von Spannungselementen dahin, wobei die Befindlichkeiten Vals im Vordergrund stehen. Nach einiger Zeit ihres Aufenthalts in der Arktis wird es jedoch ein wenig aufregender. Durch einige Zwischenfälle und Auseinandersetzungen auf der Forschungsstation und um diese herum wird die Wahrheit ersichtlich. So pendelt die Story dann zwischen melodramatischen Momenten, Fantasy, Krimi und Wissenschaftsroman. Die Heldin – Val – gerät dabei in Lebensgefahr, überwindet ihre Angstpsychose, rettet das „Mädchen aus dem Eis“.

Das Ende ist wie in einem wahren Westernfilm bei dem die Helden als Sieger in die untergehende Sonne reiten: Die Geister der Kinder tanzten fröhlich, ihre Mütter und Väter würden sie immer sehen können, und sie waren da oben sicher. Ich (gemeint ist Val) lächelte, sagte:“Bahl, lieben, Geschichte, tanzen,Kinder, Himmel, Nacht.“

Letztlich kann dieser Roman (mich) nicht faszinieren, mit Ausnahme einiger Szenen in der Natur, auf und unter dem Eis. Wenn auf dem Schutzumschlag mit den Worten geworben wird „ Für Leser:innen von … Fräulein Smillas Gespür für Schnee“, so ist dies eine knackige Werbeaussage, aber ein Versprechen, das Erica Ferencik nicht erfüllt.

– – – O – – –

ERICA FERENCIK: EIN LIED VOM ENDE DER WELT: Übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann, erschienen im Goldmann Verlag (2022), Originaltitel: GIRL IN ICE (USA, 2022)

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Einbildung. Sonst nichts — SCHNEE von Yrsa Sigurðardóttir

Da ist vieles, was sich die Protagonisten einbilden – oder nicht?

Ein schreiendes Kind mit einem Schuh, Geräusche vor dem Zelt im Schnee ohne Spuren davor, seltsame Erscheinungen auf den Überwachungskameras an einer Radarstation, eine offene Haustür, die beim Verlassen des Hauses abgeschlossen wurde. Ein Islandkrimi, in dem es zu spuken scheint. Mit einer Legende über eine Wiedergängerin.

Das Island Yrsa Sigurðardóttirs ist überschaubar, lange Zeit jedoch nicht die Verknüpfung verschiedener Handlungsstränge und das Verbindungsgeflecht zwischen den Akteuren.

  • Die neuen Besitzer eines alten Hauses finden im Garten einen seit Jahren verbuddelten Kinderschuh.
  • Auf einer von den Amerikanern verlassenen Radarstation schiebt ein Mann der Küstenwache einsamen Dienst und erlebt seltsame Vorgänge.
  • Zwei hippe, Abenteuer suchende Pärchen schließen sich einem Wissenschaftler an, der bei widrigen Witterungsbedingungen ablegene Messgeräte kontrollieren will.
  • Ein Kater taucht in der Radarstation auf.
  • Wenig bekleidete Leichen werden bei extrem schlechtem Wetter während des Winters im Hochland gefunden.
  • Bei der Suche danach ist Johanna von der Rettungswacht dabei, humpelnd nach einem alten Unfall.

Was in der Aufzählung der Ereignisse chaotisch anmutet, ist auch so. Perspektiv- und Zeitwechsel bringen zunächst keine Klarheit, zwischendurch scheint es zu Spuken (siehe oben).

Alte Traumata und schlimme Erinnerungen bei den einen, bei den anderen Erlebnisse, die zu einem Trauma werden können. Dargestellt immer wieder in Ausnahmesituationen, die im Gehirn der Handelnden zu Täuschungen und Wahnvorstellungen führen.

Doch allmählich fügt sich zusammen, was geschah – vor langer Zeit, kürzlich und in der Gegenwart. Manches Rätsel löst sich schneller, das ganz große erst zum Schluss und überraschend.

Nicht immer ist die Story nachvollziehbar. Einiges bleibt wie die letzte Zeile des Thrillers lautet: Einbildung. Sonst nichts.

So hat Yrsa Sigurðardóttir um den Hauptstrang der Abenteuerer aus Reykjavik die sich einem Wissenschaftler auf einer Mission anschließen, die aus dem Ruder läuft, ein Gemenge geschaffen, das sowohl aus homogenen aber auch heterogenen Teilen besteht, dessen Qualität zu bewerten schwierig ist.

Nette Unterhaltung, bei der einige Fragezeichen zurückbleiben. Sonst nichts.

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Yrsa Sigurðardóttir: Schnee. Erschienen im btb Verlag (2022), übersetzt von Tina Flecken

Originaltitel: Bráðin (Island, 2020)

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Gamache geht voll ins Risiko: AUF KEINER LANDKARTE von Louise Penny

Nachdem Armand Gamache kräftig innerhalb der Sûreté du Québec aufgeräumt hatte – sie befreit von Korruption und anderen kriminellen Machenschaften und denen, die dafür verantwortlich waren – hatte er seinen Job als Leiter der Mordkommission aufgegeben. Mit Ehefrau Reine-Marie kaufte er in dem kleinen Ort Three Pines, der auf keiner Landkarte verzeichnet ist, ein Haus und ließ sichdort nieder. Es schien, als wollte sich der erfolgreiche Superintendent zur Ruhe setzen. Reine-Marie hat es aber schon geahnt als ihr Armand noch darüber nachdachte, den Dienst zu quittieren:

Armand hat getan, wozu er geboren ist. Mag sein, dass er den Posten aufgibt, aufhören kann er nicht.“ (Nachzulesen in DER VERMISSTE WEIHNACHTGAST, dem Band 9 der Reihe. Inzwischen hat Gamache zwei weitere Fälle geklärt. Und im vorliegenden Band erzählt Louise Penny vom 12. Fall für Gamache).

Armand Gamache ist wieder in den Polizeidienst zurückgekehrt. Er hat beobachtet, dass die angehenden Agents an der Akademie der Sûreté du Québec noch immer so ausgebildet werden, dass sie, statt für Gerechtigkeit zu sorgen, durch Grausamkeiten zu glänzen versuchen.

Gut, dass Gamache das Angebot annimmt, die Leitung der Akademie zu übernehmen und den Kadetten Moral und Mitgefühl auf ihren weiteren Berufsweg mitzugeben.

Riskant, dass Gamache zwar einen Teil der Professoren ersetzt, den übelsten jedoch auf seinem Posten belässt und noch einen anderen ehemaligen hochrangigen Sûreté-Beamten dazu holt, der wegen erheblichen Verfehlungen einst den Polizeidienst verlassen musste. Zudem trauern die Kadetten des Abschlussjahrgangs den alten Gepflogenheiten nach, sind gegenüber dem neuen Leiter der Akademie respektlos. Aber Gamache verfolgt mit seinen Entscheidungen noch ein anderes Ziel, dass er jedoch nicht kommuniziert. Dass es in dieser Gemengelage auch noch zu einem Mord kommt, hat er jedoch nicht einkalkuliert.

Parallel zu den Entwicklungen und Geschehnissen an der Akademie passiert jedoch auch in Three Pines etwas Unerwartetes: Bei Renovierungsarbeiten im Bistro des Ortes werden in einem zugemauerten Raum Dokumente gefunden, die dort hundert Jahre zuvor gelagert wurden. Das auffälligste Stück ist eine Landkarte aus der Gegend, auf der außer einigen zunächst unerklärlichen Symbolen der Ort Three Pines eingezeichnet ist. Der Ort, der sonst nie auf kartografischem Material auftaucht. Die Bewohner des Dorfes, einschließlich Gamache, wollen das Geheimnis dieses einmaligen Fundes aufklären.Um so verwunderlicher ist Gamache, als bei dem Toten in der Akademie eine Kopie der Landkarte entdeckt wird.

Ein Geheimnis ist auch, wie Teile von Gamaches Fingerabdrücken auf die Mordwaffe gekommen sind, die dieser angeblich nie in Händen hielt. So kommt es, dass der große (oder ehemals große?) Armand Gamache des Mordes verdächtigt wird. Ebenso wie einige der Kadetten, ebenso wie einige Professoren der Akademie.

Zum Schluss erreicht der neue Leiter seine Ziele, auch das von ihm heimlich anvisierte. Vor allem aber sein Vorhaben, die Kadetten zu rechtschaffenen Polizisten der Sûreté zu formen, wobei „Das Ziel des Lebens nicht ist, auf Seiten der Mehrheit zu stehen, sondern aus den Reihen der Wahnsinnigen auszubrechen“.

Kein Geheimnis mehr ist schließlich die Landkarte, die in Olivers Bistro gefunden wurde.

Und geklärt wird auch, weshalb Gamache einer bereits abgelehnten Bewerberin doch ermöglicht, ihre Ausbildung an der Akademie zu beginnen.

Gamache hat wieder ganze Arbeit geleistet! Wie es als Originaltitel heißt: A Great Reckonig.

Und Louise Penny hat ein weiteres Mal die Bewohner und Freunde von Armand Gamache, dessen Nachfolgerin bei der Mordkommission und die Familie Gamache begleitet, wie die ihren Freund, Nachfolger im Amt, ihr Familienoberhaupt auf dem schweren Weg, für Gerechtigkeit und Moral zu sorgen, unterstützen. Aber – das wissen Armand und seine Frau Reine-Marie – Ziele wurden erreicht, doch das Böse wird wieder aufpoppen und wieder könnte gesagt werden: „Armand hat getan, wozu er geboren ist. Mag sein, dass er den Posten aufgibt, aufhören kann er nicht.“

Es ist einiges, was Louise Penny in Auf keiner Landkarte untergebracht hat:

Neben der Trockenlegung des Akademiesumpfes auch alte, traurige Geschichte aus der Zeit des I. Weltkriegs sowie eine persönliche Gamaches. Dann sind da noch die zahlreichen Literaturzitate wie das oben zitierte aus dem Werk von Aurelius, besonders aber die Zitate der berühmten und verrückten Ruth Zardo, Einwohnerin von Three Pines, die mit ihrem ungewöhnlichen Auftreten und ihrer Ente Rosa in keinem Band der Gamache-Reihe fehlen darf. (Dazu würde Rosa sich mit „Fuck, Fuck, Fuck“ äußern.)

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Louise Penny: Auf keiner Landkarte, Kampa Verlag (2022), Übersetzung: Andrea Stumpf und Gabriele Werbeck

Originaltitel: A Great Reckoning (USA, 2016)

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Stuart Turton: Der Tod und das dunkle Meer

Ob es ein Kriminalroman ist, wie vom Verlag bezeichnet, oder Mystery oder Abenteuer oder ….. was auch immer ist, ist für mich nicht von großer Bedeutung. Ich möchte beim Lesen unterhalten werden. Und Unterhaltung verspricht der Klappentext.

1634 macht sich der der Generalgouverneur von Batavia mit Frau, Tochter sowie einer riesigen Menge von Kisten sowie der „Phantasterei“ auf den Weg nach Amsterdam. Dort soll er bei der Niederländischen Ostindien-Kompanie ein hohes Amt antreten.

Mit an Bord der Saardam der Gefangene Samuel Pipps und dessen Beschützer Arent Hayes, ein Gespann, das wie die Vorläufer von Sherlock Holmes und Dr. Watson wirkt. Pipps war vom Generalgouverneur nach Batavia gerufen worden, um die gestohlene Phantasterei wieder zu beschaffen. Das gelang Pipps, wurde dann jedoch von seinem Auftraggeber gefangen genommen – Grund: unbekannt -.

Mit an Bord aber auch ein Fluch, nachdem Schiff und Passagieren auf der Fahrt nach Europa großes Unheil widerfahren werde. Der Alte Tom – der Teufel – sei an Bord, so stellt es sich dar. Ein Auge mit dem Teufelsschwanz an verschiedenen Stellen des Schiffs symbolisiert dessen Anwesenheit.

Abenteuerlich, voller Aberglaube und Angst verläuft die Fahrt, bei der es Tote und Vermisste gibt.

Seltsame Dinge passieren an Bord, oft erweist es sich dann so, dass nichts so ist wie es scheint. Schließlich strandet die Saardam vor einer einsamen Insel im Nirgendwo, der Ort, an dem letztlich alle Rätsel gelöst werden.

Die Auflösung selbst erscheint rätselhaft und unglaublich – man kann sie auch als unglaubhaft bezeichnen. Aber es ist auch ein Stück Fantasy, dass Stuart Turton seinen Lesern vorsetzt. Dass dabei die Ereignisse auf hoher See mit einer Menge Hokupokus nicht alle rational nachzuvollziehen sind, könnte Anlass zur Kritik sein. Eingestehen muss man sich aber, dass man als Leser sich auf den Illusionisten Turton eingelassen hat, und auf ein bisschen „Historisches“: Die Zeit des Aberglaubens und denen, die davon profitieren. Das Leben auf dem Schiff als Teil der Besatzung und der Passagiere sowie die Riskien, zu der Zeit über die Weltmeere zu segeln.

Unterhaltsam ist der Roman, lässt man sich auf diesen Mix von Krimi, Mystery und Abenteuerroman ein. Doch dieses Crossover wird keinen Krimifan begeistern, auch nicht den eines Hornblowers.

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Stuart Turton: Der Tod und das dunkle Meer, Übersetzung: Dorothee Merkel, Tropen Verlag (2021)

Originaltitel: The Devil and the Dark Water (2020, GB)

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Lee Child: Die Hyänen

Es hat lange gedauert, bis Jack Reacher bei mir aufgetaucht ist. Genau genommen mit dem 24. Buch seiner Reihe, die Lee Child vor rund 25 Jahren mit Killing Floor, in der deutschen Ausgabe Größenwahn, begonnen hat.

Er läuft zeitweise mit 4 Knarren herum, mäht damit ein Dutzend Leute in Minutenschnelle nieder. Das ist Jack Reacher wie er leibt und lebt. Eine Leistung fast vergleichbar mit der des tapferen Schneiderleins im Märchen. Das hat allerdings mit nur einer Waffe Sieben auf einen Streich erlegt.

Wie beim Tapferen Schneiderlein verläuft es anfangs auch bei dem Helden im 24. Buch der Reihe: Er ärgert zwei Riesen – einer nennt sich Albaner, der andere stammt aus der Ukraine – zwei Bosse, die die Stadt mit ihren Truppen, bestehend aus Landsleuten, unter sich aufgeteilt haben. Es sind die Titel gebenden Hyänen, die mit Schutzgelderpressung, Prostitution, Drogenhandel, Zinswucher und so mancher anderen für sie ehrenwerten Tätigkeiten ihr Vermögen vermehren, Straßen, Plätze, Kneipen und andere Etablissiments kontrollieren, Terror ausüben.

In diese Szenerie gerät Reacher, als er einem alten Ehepaar helfen will, die sich den Kredithaien ausgeliefert haben.

Was als scheinbar neckisches Spielchen basierend auf Reachers Gerechtigkeitssinn in Robin-Hood-Manier beginnt, geht bald über in ein Gemetzel – mit Toten bei Albanern und Ukrainern, schließlich aber alle gegen einen. Und dieser Eine ist grandioserweise Jack Reacher, der aber mit vier Knarren …….. (sh.o.). Wenn es denn noch schlimmer wird, kann er sich auf seine Mitstreiter verlassen. Sind keine Knarren dabei, geht es auch mit Fäusten und größtmöglichem körperlichen Einsatz. Und wiederum ist Reacher der Sieger. Einsatzbereitschaft, Geschwindigkeit und Effizienz sind seine Vorteile, die in den Auseinandersetzungen seitenlang beschrieben werden.

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ACHTUNG SPOILER

Schließlich das Ende: Die Bösen leben nicht mehr, das alte Ehepaar kann wieder sorgenfrei leben. Nur eine Person unter den Überlebenden ist traurig, Abby, die niedliche Komplizin des Helden, die er aus dem üblen Milieu befreit hat, aber die ihn nicht – wie erhofft – in ihrem Bett halten kann.

Reacher kauft sich ein Ticket und reist ab.

Nichts anderes werden Reacher-Fans erwarten, wenn sie dieses 24. Band der Reihe in die Hand nehmen. Vermutlich würden sie ihrem Helden gern mit höchster Achtung, jedoch kumpelhaft auf die Schulter klopfen. Ich lasse ihn weiterziehen.

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Lee Child präsentiert eine Story, die reich an Action ist, trotz Dutzenden von Toten aus Sicht des ehemaligen Militärpolizisten moralisch einwandfrei, aber so bringt Reacher sein Missfallen Kriminellen gegenüber zum Ausdruck.

„Lee Childs Thriller sind von einer Härte und Spitzenqualität wie polierter Stahl!“ wird Publishers Weekly vom Verlag zitiert.

Nach meinem Empfinden beinhaltet dieser Band jedoch einen simpel gestrickten Plot, in dem „Action“ Brutalität, Ballereien und Blut bedeutet.

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Lee Child: Die Hyänen, erschienen bei blanvalet (2022), übersetzt von Wulf Bergner, Originaltitel: Blue Moon (GB, 2019)

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Ian Rankin: Ein Versprechen aus dunkler Zeit

Wieder einmal erweist sich Ian Rankin als Meister im Auslegen von „Red Herrings“.

Es ist eine vertrackte Situation in der sich Rebus‘ Tochter Samantha befindet: Ihr Mann Keith ist verschwunden und einiges deutet darauf hin, dass sie damit etwas zu tun hat. Samantha hatte ein Verhältnis zum Boss einer seltsamen Kommune, die sich in der Nähe ein Stück Land gepachtet und dort niedergelassen hat.

In dieser Situation bittet sie ihren Vater um Hilfe, Keith wiederzufinden. Der macht sich sofort auf den Weg von Edinburgh nach Naver an die Küste Schottlands hoch im Norden. Zunächst wird das verlassene Auto von Keith gefunden, danach entdeckt Rebus dessen Leiche in einem längst verlassenen Lager, das zu Zeiten des 2.Weltkriegs als Gefangenenlager für Ausländer und kriegsgefangene Deutsche diente. Keith Obzession war es, die Geschichte des Camps aufzuzeichnen und daraus eine Erinnerungsstätte als Touristenmagnet zu machen.

Nun ist er ermordet und von der zuständigen Polizei wird Samantha verdächtigt, ihren Mann erschlagen zu haben. Unvorstellbar für Rebus, dass seine Tochter dieses Verbrechen getan haben könnte, obwohl – … so ganz ohne Zweifel ist er nicht. Und so macht sich der ehemalige Inspector auf die Suche nach dem Täter, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Dabei gerät Rebus immer wieder mit dem ermittelnden Beamten Creasey aneinander, wenn er ihm zu vermitteln versucht, was bei Gesprächen mit alten Bewohnern des Ortes zu erfahren war. Menschen, die im Camp gefangen gehalten wurden, dort arbeiteten oder in anderer Verbindung zu dem Lager standen. Doch alle Versuche, Creasey auf eine andere Spur zu bringen, scheitern zunächst.

Hilfe bei seinen Recherchen erhofft sich John Rebus von Siobhan Clarke, einer ehemaligen Kollegin und Freundin, die sich in Edinburgh allerdings mit der Aufklärung eines anderen Mords beschäftigen muss. Und wie der Zufall so will, gibt est eine gewisse Schnittmenge, in der sich einige der Akteure bewegen. Doch dadurch werden die Ermittlungen hier und dort nicht einfacher sondern komplizierter.

Aber da Ian Rankin nicht nur ein Meister im Auslegen von „Red Herrings“ ist, sondern auch von komplexen Handlungen, gelingt es ihm, die Spannung steigen zu lassen und Neugier zu erzeugen. So verstrickt die Fälle auch zu sein scheinen, so trivial sind die Motive und letztlich auch die Auflösung.

Bei diesem 23. der John-Rebus-Romane kann sich der Autor sicher sein, das seine Leserschaft aufmerkam jede Wendung der Story verfolgt und spekuliert, wer denn für den Tod von Keith verantwortlich ist, wer für den Toten in Edinburgh. Dabei stößt man auf interessante Charaktere, von Rankin vortrefflich gezeichnet und in Szene gesetzt.

So ist es kein Wunder, wenn die Fans der Rebus-Reihe nach dem Zuklappen des Buches nun auf die Nr. 24 warten.

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Ian Rankin: Ein Versprechen aus dunkler Zeit, erschienen im Goldmann Verlag (2022), übersetzt von Conny Lösch

Titel der Originalausgabe: A Song For The Dark Times (GB, 2020)

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Matthias Wittekind, Rainer Wittkamp: Fabrik der Schatten

1910. Das Verhältnis zwischen der Republik Frankreich und dem Deutschen Kaiserreich ist bereits wieder – oder immer noch? – gestört. Es hat den Anschein, dass beide Seiten sich auf einen erneuten Krieg vorbereiten.

Da passiert bei Bingen ein Zugunglück. Es gibt mehrere Tote. Nachdem dabei auch Schüsse fallen, flüchten Männer, die Französisch sprechen. Innerhalb des deutschen Geheimdienstes ist man unterschiedlicher Auffassung. Eine gewöhnliche Schießerei zwischen Gaunern oder Tat französischer Agenten auf deutschem Gebiet?

Das Misstrauen innerhalb des deutschen Geheimdienstes in Person von Oberst Lassberg, Leiter der Abteilung Inlandsspionage, und dem Leiter der Spionage Frankreich, Major Craemer prägen diesen Roman.

Dabei geht es nicht nur um den Zwischenfall an dem Bahnübergang bei Bingen, sondern auch um Ereignisse bei der Überführung von drei französischen Flugzeugen, die als Muster für den geplanten Lizenzbau bei den Albatros Flugzeugwerken in Johannisthal dienen sollen. „Flugapparate“, die vordergründig im Postdienst und der Personenbeförderung eingesetzt werden sollen, in Wahrheit jedoch für die Fliegertruppe des deutschen Heeres zum Einsatz kommen sollen.

Die Albatros Flugzeugwerke gab es, auch den Kauf der Flugzeuge und die Überführung aus Frankreich. So ist zu erkennen, dass dieser „Historische Kriminalroman“ auf harten historischen Tatsachen beruht. Auch einige handelnde Personen existierten tatsächlich.

Hauptstrang der Fiktion ist der Versuch von Major Craemer zusammen mit einer Agentin aus seinem Team sowohl den Vorfall bei Bingen als auch das, was bei der Überführung der Flugzeuge passierte, aufzuklären. Dabei werden ihnen einige Schwierigkeiten bereitet, wobei sich die Agentin als äußerst clever erweist – nicht nur in ihrem Handeln, sondern auch auf ihrem Weg zu dieser Aufgabe.

Beim Lesen sind Ungewissheit und Spannungen zu spüren, die zu der Zeit in Hinsicht auf einen bevorstehenden Krieg in Wehrmacht und beim Geheimdienst herrschten, die dazu führten, dass sich mit diversen Unternehmungen auf ein Kriegsszenario vorbereitet wurde.

Die Verknüpfung von Fakten und Fiktion ist Matthias Wittekindt und Rainer Wittkamp vorzüglich gelungen. Herrlich darin auch die Schilderung, wie abenteuerlich zur damaligen Zeit die Fliegerei war und welche Mühe es den Piloten machte, die Flugapparate zu beherrschen.

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Matthias Wittekindt und Rainer Wittkamp: Fabrik der Schatten, erschienen im Wilhelm Heyne Verlag (2022)

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