Der achtzehnjährige Jackob ist ein armes Schwein. Wenn ich’s mir recht überlege, ist er das ärmste Schwein, das ich je kennengelernt habe.
Er lebt irgendwo im Nirgendwo namens Cashiers in einem Waldgebiet North Carolinas, Einwohnerzahl laut Wikipedia: 157 (im Jahre 2010).
Aber das ist nicht das Schlimmste. Beschissener ist, dass sein Vater dort das Crystal-Meth-Geschäft kontrolliert – samt Polizisten, die davon profitieren. Alles unter dem Mantel einer Autoreparaturwerkstatt, die als Geldwaschanlage genutzt wird. Jackobs Mutter, vom Vater geschieden, hat sich von ihrem Hirn mit Hilfe von Crystal Meth weitgehend verabschiedet, lebt noch tiefer drin im Nirgendwo in einer Hütte, gut versorgt mit der Droge von ihrem Ex.
Jeder in der Umgebung weiss, in welchen Verhältnisse der junge Mann lebt, oder ahnt zumindest, dass er als Mitglied dieser kaputten Familie „im Geschäft mitarbeitet“. Und das ist auch so. Das Weichei in den Augen des kriminellen Vaters wird von diesem in den Abgrund gezogen, aus dem es für den Junior kein Zurück gibt. Und Junior ist sich dessen bewusst. Er hat die Schule abgebrochen ebenso die Beziehung zu seiner Schulkameradin Maggie, die von einem anderen Leben in einer anderen Gegend träumt. Jackob glaubt an Maggie, wollte ihr und ihrer Karriere aber nicht mit seiner im Wege stehen, verließ sie deshalb. Stattdessen muss er mit zwei Kumpanen seines Vaters einen Verräter zum Reden bringen. Die Kumpanen verprügeln das Opfer, schütten ihm Schwefelsäure in Gesicht, entsorgen es. Jackob möchte bei diesen Brutalitäten nicht mitmachen, aber er kann sich gegen die Brutalos nicht zur Wehr setzen.
Jackob versucht, dem Ganzen zu entrinnen, nimmt wieder Kontakt zu Maggie auf. Aber er weiss, es wird bei einem Versuch bleiben.
O-Ton Jackob: „An den Spruch vom Licht am Ende des Tunnels habe ich nie geglaubt. Das hängt doch immer davon ab, in welcher Richtung man unterwegs ist. Wer aus der Dunkelheit kommt und sich auf das Licht zubewegt, hat möglicherweise die Hoffnung, geht voller Erwartung vorwärts. Aber ich war mein ganzes Leben in die entgegengesetzte Richtung unterwegs.“
Faszinierender und bewegender Erstling von David Joy. Beim Lesen wünscht man dem Helden, dass es ihm gelingt, zusammen mit Maggie das Nirgendwo und die Klauen seines Vaters zu verlassen, aber schon bald wird klar: Ein Happyend wird es nicht geben.
Jackob ist das ärmste Schwein, das ich je kennengelernt habe, RIP Jackob.
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David Joy: Wo alle Lichter enden
Originaltitel: Where All Lights Tends To Go (© David Joy 2016)
Übersetzung Sven Koch, herausgegeben von Wolfgang Fraßen
Polar Verlag 2019