Arne Dessaul: Ihr letztes Stück

Ein Bochum-Krimi

Wobei ich behaupte: Bochum ist überall. Straßen und Kneipen haben andere Namen. Das Lieblingsbier kommt aus einer anderen Brauerei. Das Theater ist nicht städtisch, sondern wird mit Landesmitteln alimentiert. Die Theaterfuzzis, ob narzisstischer Intendant oder abgehalfterte Schauspieler, glänzen mit ähnlichen Allüren. So ist es Schnurz, ob der Krimi nun in Wolfenbüttel, Bochum oder Wiesbaden angesiedelt ist. Bochum ist überall.

Wenn dann der Krimiautor Arne Dessaul ein Teil seines Personal aus früheren Wolfenbüttler Fällen nach Bochum umsiedelt, tut das der Fangemeinde von KHK Helmut Jordan keinen Abbruch. Im Gegenteil, es kommt neuer Wind in die Geschichten – durch ein neues „Ensemble“ im Krimi und die abgestandene Theaterluft des Bochumer Schauspielhauses sowie dessen fiktiven Mitgliedern, die sich einbilden, zur weltweiten Creme der Theaterschaffenden zu gehören.

Mit dem Wechsel der Örtlichkeit wurde zudem WF durch Grönemeyers Lieblingsstadt ausgetauscht. Von der Provinz in die Provinz.

Viel Theaterluft und Kneipenduft, dazu noch der ätzende Atem einer Theaterkritikerin der lokalen Presse, die jede Inszenierung des Schauspielhauses inklusive Regisseur und einigen der Mitwirkenden mit ihren Kritiken niedermacht. Aber irgendwann ist Schluss mit Verrissen. Die Dame überlebt nicht.

Nach Täter und Motiv wird gesucht. Vordergründig – was das Motiv anbelangt – naheliegend, dass der Mord in Zusammenhang mit dem letzten Verriss steht.

Das Ganze ist eingebettet in viel Theater von Schiller bis Shakespeare. Dabei werden die Attitüden und Befindlichkeiten der Theatermenschen amüsant dargestellt, und der „Sommernachtstraum“ – hier eine Kneipe in der Nähe des Theaters – wirkt so realistisch, wie ich sie im Umfeld derartiger Institutionen erlebt habe, somit herrliche Erinnerungen weckt.

Dagegen wirken die Sidesteps in die rechte Szene befremdlich, die nächtlichen Stands des großen Schauspielers belanglos.

Insgesamt bietet Arne Dessauls „Ihr letztes Stück“ jedoch eine herrliche Provinzposse mit einem köstlichen Blick in die scheinbar glamouröse Welt des Theaters, deren sich selbst überschätzende Mitglieder sich so anders sehen als es der Realität entspricht. Und ganz zu schweigen von der schreibenden Zunft der Feuilletonisten und Feuilletonistinnen, die oftmals ein Stück völlig anders rezensieren als ich es erlebe.

Bochum ist überall!

Mit herzlichen Grüßen aus Wiesbaden, sozusagen aus der Provinz.

– – – O – – –

Arne Dessaul: Ihr letztes Stück, Maximum Verlags GmbH (2021)

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