Ein Nesbø-Buch ohne dessen Helden Harry Hole, aber auch kein Stand-Alone wie Headhunter oder Der Sohn, sondern eine Sammlung von sechs Kurzkrimis und einer längeren Kriminalgeschichte.
Die erste Short Story London ist der wohl beste Beitrag in diesem Buch. Auf zwei Dutzend Seiten wird von einer Frau erzählt, die sich von einer Firma ermorden lassen will, weil sie es nicht mehr aushält, dass ihr Mann und ihre beste Freundin es zusammen treiben. Im Flug nach London plaudert sie das Geheimis Vorhaben dem unbekannten Mitreisenden neben ihr aus. Gegen Schluss erleben wir die unerwartete Wendung. Ein Kurzkrimi wie er sein sollte: In einem Rutsch zu lesen, auf den Punkt gebracht. Mit diesem kleinen Werk reiht sich Nesbø ein in die Reihe der großen Erzähler von Kriminalgeschichten wie Edgar Allen Poe, Stanley Ellin und Roald Dahl.
Es ist bedauerlich, dass Jo Nesbø dieses Niveau in den folgenden Geschichte nicht halten kann.
Eifersucht ist dagegen ein kleiner Roman. Er zeigt die Emotionen zweier Brüdern, die die gleiche Frau lieben. Der Ermittler, der das Verschwinden des einen aufklären soll, ist ein Spezialist für Eifersucht und wir erfahren, wie er zu seinem besonderen Wissen kam. Psychen werden beleuchtet und ausgiebig erläutert. Zu welchem Ende es bei den Brüdern kommt, wird früh ersichtlich, die Rolle des Kommissars ist das Besondere.
Bemerkenswert ist Die Warteschlange deshalb, weil es dabei nicht um Eifersucht handelt, die auf Liebe basiert, sondern um eine andere Form.
Recht bieder erscheint die Story Abfall, in der sich ein Müllwerker in einen Vollrausch mit Filmriss säuft, am nächsten Tag aber wieder seine berufliche Pflichten in vollem Umfang erfüllt. Und den Erwartungen entsprechend, löst er sein Problem.
Über die weiteren Kriminalgeschichten könnte noch berichtet werden. Hier nur soviel: Sie sind nicht schlecht, von einem der erfolgreichste Kriminalschriftsteller der Gegenwart habe ich mir jedoch mehr erhofft, zumal sie vom Verlag als „Sieben erstklassige Stories, ein Motiv“ angekündigt wurden. Woran ich mich in einigen Wochen noch erinnern werde, ist London.
Und nun warte ich wieder auf einen spannenden Harry-Hole-Krimi inklusive einem ungewöhnlichen Mordinstrument wie dem Leopoldsapfel oder ein Stand-Alone vom Format Der Sohn.
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Jo Nesbø: Eifersucht, übersetzt von Günther Frauenlob, erschienen bei Ullstein (2021)
Originaltitel: Sjalusimannen og andre fortellinger (Norwegen, 2021)
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Besprochen auf KrimiLese:
Harry-Hole-Reihe:
Nr. 6: Der Erlöser (Norwegen 2005, dt. 2008)
Nr. 7: Schneemann (Norwegen 2007, dt. 2009)
Nr. 8: Leopard (Norwegen 2009, dt.2009)
Nr. 9: Die Larve (Norwegen 2011, dt. 2011)
Nr. 10: Koma (Norwegen 2013, dt. 2013)
Nr.11: Durst (Norwegen 2017, dt.2017)
Nr. 12: Messer (Norwegen 2019, dt. 2019)
Blood on Snow-Reihe:
Nr. 1: Blood on Snow, Der Auftrag (Norwegen 2015, dt. 2015)
Nr.2: Blood on Snow, Das Versteck (Norwegen 2015, dt. 2016)
Stand Alone-Bände:
Headhunter (Norwegen 2008, dt. 2010)
Der Sohn (Norwegen 2014, dt. 2014)
Ihr Königreich (Norwegen 2020, dt. 2020)
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