Susanne Kronenberg: Wiesbadener Visionen

Ein Kriminalroman, dessen Handlung sich vor der eigenen Haustür abspielt, weckt neben dem eigentlichen Geschehen mit Verbrechen und Verbrecherjagd das Interesse des Lesers vor Ort.

Im 10.Fall ermittelt die Privatdetektivin Norma Tann – nachdem sie schon in Bad Schwalbach, Kloster Eberbach, Weimar und anderswo beruflich unterwegs war – wieder in Wiesbaden. Das, was geschieht, könnte jedoch auch in jeder anderen deutschen Stadt passieren. Wie hier gibt es kaum ein anderes aktuelleres Thema: Das Handeln der Klimaaktivisten, die mit unterschiedlichen Aktionen für eine Verkehrswende kämpfen, ebenso die Maßnahmen der Gegner.

Im Prolog erlebt Norma Tann, wie auf Wiesbadens Hausberg, dem Neroberg, ein SUV abgefackelt wird, in dem eine Leiche verbrennt. An diesem Platz steht ein Tempelchen, von dort ist der Blick frei auf die Marktkirche im Zentrum der Stadt, an der eine spektakuläre Abseilaktion der Verkehrswende-Aktivisten stattfinden wird. Zwischen diesen beiden Punkten ist die Handlung verortet.

Eine der „Anti-Car“-Aktivistinnen ist die spanische 20jährige Ona, die mit ihrer in Wiesbaden geborenen Großmutter Jorinde nach Deutschland kommt, um hier zu studieren. Die beiden sind in eine Wohnung im Haus von Jorindes Bruder eingezogen, einem reichen Immobilienmakler und Kunstmäzen. Mit ihm verhält es sich eigenartig und Jorinde macht sich Sorgen um ihn, weshalb sie Norma Tann bittet, nach der Ursache für sein Benehmen zu suchen.

Denn während Ona sich den „Anti-Car“-Aktivisten anschließt, die Abseilaktion von einem Turm der Marktkirche im Video festhält, ist ihr Onkel offensichtlich verschwunden.

Dann passiert, was bereits im Prolog zu lesen war: Der SUV brennt, in ihm eine Leiche. Eine Aktion der Verkehrswende-Aktivisten? Zumal es sich bei dem SUV um das Auto der Lebensgefährtin von Onas Onkel handelt, einer – wie Norma Tann erkennt – habgierigen Person, die zugleich als Mitglied der „Unser Auto bleibt mobil“- Gruppe zu den Gegnern von Ona & Co zählt. Und das ist noch nicht alles an Verflechtungen. Nora recherchiert und stößt auf den Unterstützer der Klimaaktivisten, einen erfolgreichen Maler dessen Mäzen der Onkel Onas ist.

Mit der spanischen Studentin in der Mitte eine verzwickte Geschichte, die Norma Tann aufdröselt und zu einer Auflösung führt, die anfangs nicht zu erwarten war, die Verknüpfung der Handlungsstränge mit den verschiedenen Ereignisse und (Un-)Taten jedoch eine logische Folge ist.

Wiesbaden als Ort der Handlung bietet sich für solch einen zunächst undurchschaubaren Plot an. Protagonisten und „Nebendarsteller“ könnten hier verortet sein. Und die Stadt gibt genügend her, was als Lokalkolorit einfließen kann.

Susanne Kronenberg beschreibt dieses Wiesbaden mit den Aktivisten pro und contra Verkehrswende, dem Mäzenatentum mit Fördern und Gefördert-Werden. Die Krimihandlung tritt dabei jedoch nicht in den Hintergrund, sondern bietet – auch wegen der aktuellen Aktionen der Klima/Verkehrswende-Aktivisten – reichlich Spannung, kommt dabei zu einer interessanten Auflösung des Falles.

Ein Kriminalroman, lesenswert nicht nur für Wiesbadenerinnen und Wiesbadener.

– – – O – – –

Susanne Kronenberg: Wiesbadener Visionen, erschienen im Gmeiner Verlag (2023)

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