Mathias Berg: Die Kriminalistinnen – Band 1:Der Tod des Blumenmädchens, Band 2: Acht Schüsse im Schnee

Düsseldorf im August 1969. Für einen Artikel im STERN müssen sich Nordrhein-Westfalens erste weibliche Anwärterinnen für die Kriminalpolizei in lächerlichen Posen und ebensolchen Outfits fotografieren lassen. Eine Story über sechs junge Quereinsteigerinnen erschien tatsächlich im Stern.

Mathias Berg hat diese Szene als Ausgangspunkt für die Krimireihe „Die Kriminalistinnen“ genommen, von der bisher zwei Bände erschienen sind. Die – fiktive – Lucia Specht, vormals eine Sekretärin erzählt darin von ihrer Ausbildung bei verschiedenen Abteilungen der Kripo (Band 1: Mord, Band 2: Sitte), von den Widerständen bei Behörden und in der Bevölkerung gegen „Frauen in der Polizei“. Hohn und Spott erfahren sie von Vorgesetzten und Kollegen und wäre damals der Begriff „Mobbing“ schon geprägt gewesen, erleben sie dieses in Reinkultur.

Von Kriminellen werden sie nicht für voll genommen, ebenso wenig von Opfern und Zeugen. Zudem ist die Zeit der Emanzipation noch nicht sichtbar angebrochen, so können Ehemänner ihren Frauen noch die Berufstätigkeit verwehren, von anderen Gesetzen wissen wir ebenso, dass sie die Belange und Interessen der Frauen nicht oder zumindest nicht ausreichend berücksichtigten.

So erleben Lucia Specht und ihre fünf Kolleginnen, die die Ausbildung zu Kriminalwachtmeisterinnen machen, dass ihnen nicht viel zugetraut wird, sie für wenig geeignet gehalten werden, den „Männerberuf“ auszuüben. Nach Ansicht vieler ein befristetes Experiment.

DER TOD DES BLUMENMÄDCHENS (DIE KRIMINALISTINNEN, Band 1)

Lucia Specht hat die erste Zeit ihrer Ausbildung bei der Mordkommission mit faden Aufgaben im Innendienst überstanden, als es dann wirklich ernst wird und sie zu einem Tatort mitgenommen wird. In einer Hippie-WG hat es an zwei Stellen gebrannt, mittendrin liegt das tote „Blumenmädchen“, vom Feuer unversehrt, aber übel zugerichtet. Und jedes Mal, wenn die angehende Kriminalistin irgendwo auftaucht, am Tatort oder bei Zeugenbefragungen, wird sie zunächst ungläubig angestarrt, wenn sie sich vorstellt, ihre Dienstmarke zückt. Sie schlägt sich wacker in ihrem Job, aber das Urteil – so hört sie als Lauscherin an der Wand – ist anscheinend schon gefällt, muss nur noch durch entsprechende Berichte bestätigt werden: UNFÄHIG für den Beruf als Kriminalpolizistin.

Sie arbeitet mit Kollegen und mit ihrem Chef zusammen und nicht immer können die Herren ihr diese Unfähigkeit nachweisen, zähneknirschend müssen sie ab und an die gute Leistung Lucias anerkennen. Mit den anderen Anwärterinnen trifft sie sich zum Mittagessen und abends. Dort wird dann über die Arbeit und die Hindernisse gesprochen, die ihnen in den Weg gelegt werden. Abends ist ab und zu Party mit den Kollegen. Dabei kommt man/frau sich auch näher. Lucia lässt uns ihre Kolleginnen näher kennenlernen – und besonders ihr eigenes Schicksal: Verlust der Mutter, wobei sie ansehen musste, wie ihre Mutter aus einem Park vor einem Mann flüchtete und dabei von einem LKW überrollt wurde. Der Fall wurde nie aufgeklärt, das möchte die Tochter nun nachholen. Sie arbeitet dran.

In diesem Band wird der Zeitgeschichte der notwendige Raum gegeben, um zu zeigen, wie die Verhältnisse damals bei der Polizei waren, als Frauen dort mit dem Ziel ausgebildet wurden, „richtige“ Kriminalistinnen zu werden. Dazu beschreibt Mathias Berg die gesellschaftlichen Gegebenheiten, speziell das Verhältnis Frau/Mann zu jener Zeit – ähnlich, wie ich, gleichaltrig mit Lucia, es erlebt habe. Wie es vermutlich für Leserinnen und Leser, die heute so alt sind wie Lucia damals, kaum vorstellbar ist. Zeitweise tritt dabei die Aufklärung des Mords an dem Blumenmädchen in den Hintergrund und auch Lucias Bemühungen, etwas Genaues über den Tod ihrer Mutter zu erfahren, stehen hier noch nicht im Focus der Story. Unter dem Aspekt „Wie war das damals für Frauen bei der Polizei“ ist dieser Teil ein interessantes Zeitdokument.

ACHT SCHÜSSE IM SCHNEE (DIE KRIMINALISTINNEN, Band 2)

Ein halbes Jahr nachdem der Mord an dem Blumenmädchen mit Lucias Hilfe aufgeklärt wurde, ist die angehende Kriminalistin bei der „Sitte“. Dort kontrolliert sie eines abends mit Kollegen die Einhaltung des Jugendschutzes in einer Disko, führt dabei die minderjährige, renitente Michaela nachts zu ihren Eltern zurück. Am nächsten Tag wird Michaelas Vater, ein stinkreicher Millionär, vor seiner Villa erschossen. Die Tochter hat offensichtlich die Todesschüsse durch das Küchenfenster beobachtet, will jedoch nur mit Lucia sprechen.

So gerät die Kriminalhauptwachtmeisterin in Ausbildung doch wieder zur Mordkommission und erzählt, was sie dort erlebt und ermittelt. Ihre Kolleginnen stehen ihr dabei zur Seite, die eine ist jetzt in der Kriminaltechnik, mit den anderen trifft sie sich beim Mittagessen oder abends in Kneipen oder anderswo. Das Verhältnis zu den männlichen Kollegen hat sich nicht wesentlich geändert, mal ein Techtelmechtel, mal mehr. Zudem wird Lucia im Dienst gestalkt. Zeitgeschehen auch hier: Homosexualität von Polizisten endet mit Rauswurf aus dem Polizeidienst. Unvereinbarkeit von Ehe und Beruf aus Sicht des Ehemanns einer Kollegin.

Während die Ermittlungen im Todesfalls des Milliomärs ihren Lauf nehmen, widmet sich Lucia jedoch mehr und mehr der Recherche zum Tod ihrer Mutter.

Und da wird es gefährlich für Lucia. Bei Weitem jedoch nicht so dramatisch wie bei ihren beruflichen Ermittlungen, die so enden, dass die Leserinnen und Leser dieses Ereignis als Cliffhänger deuten können, möglicherweise aber auch als Ende der Reihe.

Da aber der Tod der Mutter noch nicht geklärt ist und auch noch andere Ausbildungsstationen für Lucia anstehen, ist davon auszugehen, dass wir die angehende Kriminalistinnen und ihre Kolleginnen in zumindest einem weiteren Band wiedertreffen und dann von Lucia erfahren, was ihr bei der Kriminaltechnik, der Wirtschaftskriminalität oder anderswo passiert, auf welche Spezies von Chefs und Kollegen sie dabei trifft, Affäre beginnen und enden.

– – – O – – –

Die beiden Bände von Mathias Berg

  • Die Kriminalistinnen – Der Tod des Blumenmädchens
  • Die Kriminalistinnen – Acht Schüsse im Schnee

sind im EMONS Verlag erschienen

Veröffentlicht unter Rezension | Verschlagwortet mit , | Kommentar hinterlassen

T.M.Glaw: HULDRYCHS ENDE – Eine Kriminalsatire

Spott und Spannung sind die tragenden Elemente dieser Kriminalsatire.

Spannung ist bekanntlich nichts Ungewöhnliches in einem gewöhnlichen Kriminalroman. Doch hier liegt Spannungsliteratur gepaart mit Satire vor, in der der Literaturbetrieb mit den Verlagen, dem Buchhandel, den extrovertierten wie introvertierten Playern und Paradiesvögeln verspottet wird und eine glamouröse Scheinwelt von scheinbar Intellektuellen aufgezeigt wird.

Das betrifft den Verlags- und Buchhandlungsmogul Huldrych Librorius, der sich zur Feier der Eröffnung seiner 250. Buchhandlung fürstlich auf seinem Schloss huldigen lässt. Neben der gesellschaftlichen Creme de la Creme wurden aus der Fraktion der armseligen Buchblogger deren Vertreter mit markanten Alias wie „Laberheim“, „Plaudrian“ und „Liberschwafel“ geladen. Namen fast wie aus der Realität der Möchtegernrezensenten (Ich darf das schreiben, bin selbst so einer!). Aber auch der Rest der ehrenwerten Gesellschaft zeichnet sich zumeist durch mehr Schein als Sein aus.

Sei’s drum –.

Am nächsten Morgen steht Huldrys Ende an, verursacht durch Orangensaft.

Gut, dass Oberkommissarin Jana Vecera sich diesem Ende annimmt und sich auf die Suche nach Motiv macht, wobei sie durch eine irreal erscheinenen Welt zwischen seltsamen Typen und bieder wirkenden Familienangehörigen des Toten hindurchschlängelt und schließlich – wie es sich in einem Krimi gehört – auch zum Ende in diesem Fall, hier der Auflösung, kommt.

Die Verknüpfung von Spannung und Satire ist T. M. Glaw gelungen, wobei neben dem Erhalt des Spannungsbogens die Elemente der Satire stets in hohem Maße gepflegt werden, so dass sich eine amüsante Darstellung des sogenannten Literaturbetriebs mit all seinen Auswüchsen ergibt.

Wer Teil dieser oftmals unnatürlich wirkenden Welt ist, wird den einen oder anderen Player erkennen – möglicherweise sich selbst.

– – – O – – –

T. M. Glaw: HULDRYCHS ENDE, Mediathoughts Verlag (2024)

Veröffentlicht unter Rezension | Verschlagwortet mit , | Kommentar hinterlassen

Jürgen Heimbach: Waldeck

Ein paar Tage im Mai 1964. Auf Burg Waldeck findet das erste „Waldeck-Festival“ statt. Während Waldeck den Übergang von der deutscher Schlagerkultur der Nachkriegszeit in die Phase der kritischer „Singer/Songwriter“ zeichnet, ist in den benachbarten Dörfern noch der Geist der Nazis vorhanden. So ignoriert der Großvater Mines Geburtstag am 8. Mai, dem Tag der Kapitulation, für ihn ein Tag der Schmach. Viel schlimmer ist aber, dass hohe Nazichargen den Bundesnachrichtendienst durchsetzt haben, andere unter neuem Namen ein gutbürgerliches Leben führen, in dem die alten Seilschaften zum Nutzen der Mitglieder gepflegt werden.

Das ist der Rahmen von Jürgen Heimbachs neuestem Kriminalroman. Nicht zum ersten Mal hat der Autor das Wirken ehemaliger Nazis bis in die 60er Jahre in seinen Romanen thematisiert.

Bei Waldeck steht neben Mine Silvia im Mittelpunkt, deren Vater als ehemaliger SS-Arzt in einem Konzentrationlager Zahngold „sichergestellt“ hat und nicht nur dabei als Täter aufgefallen ist. Nun führt er in München unter neuem Namen eine Zahnarztpraxis, ein hochangesehener Mann.

Als eine ehemalige Insassin eines Konzentrationslager diese Transformation jedoch bemerkt und einen Journalisten, der über die Riege der zumeist reingewaschenen Nazi recherchiert, über ihre Entdeckung informiert, gerät das Heile-Welt-Bild des Zaharztes und seinem alten Weggenossen Edgar Winter aus den Fugen.

Die Informantin stirbt, bevor der Journalist Ferdinand Broich sich über die genauen Erkenntnisse der alten Dame informieren kann, unter mysterösen Umständen. Zudem hat Silvia in Vaters alten Unterlagen die Wahrheit über dessen Vergangeheit im 3. Reich und die damit verbundenen Lügen entdeckt. Damit will sie in ein selbstbestimmtes Leben starten. Ebenso wie Mine, die aus einem erzkonservativen Umfeld ausbrechen möchte. Der Zufall – oder der Autor des Romans – will es so, dass sie sich auf dem Weg zu Festival treffen.

Aber bis dort ankommen ist es ein langer Weg, auch für den Investigativ-Journalisten, der den Fall des Zahnarztes publik machen möchte. Ebenso für Edgar Winter, der über die Leichen von Freund und Feind geht, um die Wandlungen von Nazitätern inklusive der eigenen zu vertuschen.

Mit einem Showdown auf der Wiese von Burg Waldeck findet die Geschichte ein Ende.

Es ist immer wieder erfreulich, wenn Autorinnen und Autoren die Verhältnisse in der damaligen jungen Bundesrepublik aufgreifen und über das unbehelligte Weiterleben von Nazitäter exemplarisch-fiktiv berichten. Ein kleines Puzzleteilchen zum Zeitgeschehen in den 60ern des vorigen Jahrhunderts hat Jürgen Heimbach damit geschaffen. Ein zweites gibt er uns mit der Beschreibung der Stimmung in einigen Teilen der deutschen Jugend, die zur Entstehung des Waldeck-Festivals führte.

Eine persönliche Bemerkung: 1964 war ich 17 Jahre alt, Schüler der 11.Klasse eines Gymnasiums. In meinem biederen Umfeld und dem meiner Mitschüler spielte die Veranstaltung auf Burg Waldeck keine Rolle. Ich kann mich nicht daran erinnern, in dem Jahr davon gehört zu haben. Vom Frankfurter Auschwitz Prozess wussten wir von einem Mitschüler, dessen Halbbruder als Rechtsanwalt dort jemanden vertrat. Ob Täter oder Opfer wussten wir allerdings nicht, haben es auch nicht hinterfragt. So war das!

Aus diesem Grund danke ich Jürgen Heimbach, dass er die Situation in jener Zeit noch einmal lebendig hat werden lassen. Wer als Krimifreund neben einer spannenden Handlung am Zeitgeschehen der 60er des vergangenen Jahrhunderts interessiert ist, dem empfehle ich dieses Buch.

– – – O – – –

Jürgen Heimbach: Waldeck, Unionsverlag (2024)

Veröffentlicht unter Rezension | Verschlagwortet mit , | 2 Kommentare

Lea Stein: ALTE SCHULD – Ein Fall für Ida Rabe

Deutschland, Juni 1948. In den drei Zonen der Westalliierten steht die Währungsreform bevor. Riesige Mengen an Geld sollen unter großer Geheimhaltung durch das westliche Deutschland transportiert werden, damit jeder Bürger 40 Deutsche Mark eintauschen kann. In Hamburg treffen die britischen Alliierten umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen, da zu erwarten ist, dass Kriminelle versuchen werden, auf ihre Weise an das Geld heran zu kommen.

Das ist die Lage zu Beginn von Lea Steins „Alte Schuld“, dem 2. Fall für die Hamburger Schutzpolizistin Ida Rabe. Ida, bekannt aus dem 1.Band der Reihe „Altes Leid“ ist eine der ersten Polizistinnen in der Stadt, eingesetzt von den Briten, die aus Not an Männern Frauen für den Polizeidienst rekrutiert haben.

Zunächst beschäftigt sich Ida Rabe mit Vera Pape, die behauptet, von einem Mann verfolgt zu werden. Eine recht ominöse Aussage, denn Vera Pape gilt bei der Polizei nicht als sehr Wahrheits liebend. Kurze Zeit später wird vor ihrer Wohnung die Leiche ihres ehemaligen Verlobten, einem Briten, gefunden und sie gerät in Verdacht, ihn ermordet zu haben.

Zwischendurch sind immer wieder kleine Kapitel eingefügt, die von dem kleinen Mädchen Käthe handeln, das offenbar von einem geistig Verwirrten entführt und gefangen gehalten wird.

Zum einen versucht Ida Rabe, den wahren Mörder des Briten zu finden, da sie Vera Pape nicht für verdächtig hält. Dabei erfährt sie, dass ein Mädchen vermisst wird. Wie die beiden Fälle zusammenhängen und was für Verbindungen der tote Brite zur deutschen Polizei hat – und zu welchem Zweck – bleibt zunächst ungeklärt. Zudem scheint Idas alte „Patin“, die Bunkerkönigin Marlise, eine nicht unbedeutende Rolle in diesem Wirrwarr zu spielen.

Doch Ida soll eine einmalige Chance nutzen, die ihre britische Vorgesetzte ihr aufgetan hat. Sie darf in Niedersachsen an einem Oberbeamtenanwärterlehrgang teilnehmen und muss die Reise nach Hann. Münden antreten, bevor der Fall um Vera Pape und deren toten ehemaligen Verlobten aufgeklärt ist. Aber es kommt alles ganz anders und Ida ist in Hamburg dabei, als es zum großen Showdown kommt, bei dem geklärt wird, was zu klären ist. Danach geht es für Ida wieder zurück zum Lehrgang, an dem sie als einzige Frau mit dem Ziel teilnimmt, die erste Hamburger Oberbeamtin bei der Polizei zu werden.

Lea Stein, Pseudonym für die Autorin und Journalistin Kerstin Sgonia, erzählt in diesem 2.Band der Ida-Rabe-Reihe, wie das Leben zwei Jahre nach Kriegsende zwischen den Trümmen der Hansestadt ablief, wie sich die Situation für Frauen im Polizeidienst darstellte. Polizistinnen, die damit rechnen mussten, dass sie irgendwann ausgemustert werden könnten, wenn wieder genügend Männer für die Polizei zur Verfügung stehen würden. Wie erfahren, welche Veränderungen sich für Kriminelle und ihre Schwarzmarkt-Geschäfte mit der Einführung der Deutschen Mark und dem zu erwartenden wirtschaftlichen Aufschwung anbahnten.

Wie bereits im Vorgänger-Band wurde von Lea Stein sorgfältig recherchiert. Auch dieser 2. Fall kann als Historischer Kriminalroman angesehen werden. Die Generation Ü75 wird sich an diese Zeit oder die frühen 50iger des letzten Jahrhunderts, in denen die Auswirkungen des Krieges noch zu spüren waren, wohl erinnern. Für Jüngere ist jene Zeit jedoch Geschichte und interessant zu erfahren, wie es Eltern und Großeltern in den Nachkriegsjahren ergangen ist, wie der Stand der Gleichberechtigung und Emanzipation damals war.

Der Kriminalfall selbst erscheint dabei zunächst recht unübersichtlich und wenig authentisch. Wie Ida Rabe bei ihrer Arbeit vorgeht und für welche Aufgabe sie schließlich von ihrer britischen Vorgesetzten eingesetzt wird, ist nicht immer glaubwürdig aber durchaus spannend. Es sollte nicht vergessen werden: Es ist ein Roman trotz aller geschichtlichen und gesellschaftlichen Fakten mit denen er verortet ist. Und dieser Roman ist durch die Symbiose vom Fiktion und Fakten gelungen.

– – – O – – –

Lea Stein: Alte Schuld – Ein Fall für Ida Rabe. Heyne Verlag (2024)

Band 1 der Ida-Rabe-Reihe von Lea Stein: Altes Leid, erschienen 2023 im Heyne Verlag

Veröffentlicht unter Rezension | Verschlagwortet mit , | Kommentar hinterlassen

Frauke Buchholz: SKALPJAGD

Stell Dir vor, Du bist Profiler und auf einem Kongress für Psychotherapie, lernst dort eine interessante Frau kennen, die Dich zu einer nächtlichen Peyote-Zeremonie mit einem indigenen Medizinmann einlädt. Am nächsten Morgen erwachst Du mit einem blutigen Messer in der Hand in einem Tipi, neben Dir die interessante Frau, tot, skalpiert.

Das passiert Ted Garner, Profiler bei der kanadischen Polizei, der seinen Dienst dort beenden und eine psychotherapeutische Praxis eröffnen will.

Garner kann sich nicht daran erinnern, was in der Nacht geschah, und flüchtet, wissend, dass man nach ihm als Täter fahnden wird. Er will die Wahrheit wissen, macht sich auf die Suche nach Mörder und Motiv. Wie in einem Road-Movie betreibt er die Suche, von Vancover bis mitten hinein in die „Pampa“ British Columbias. Garner begegnet dabei eigenartigen Menschen und es bleibt nicht bei der einen skalpierten Leiche.

Hinter Ted Garner her ist Frank Lombardi. In 28 Dienstjahren bei der Polizei hat er schon einige Tote gesehen, Leichen mit einem Décollement – der Pathologe erklärt: medizinischer Fachbegriff für Skalpieren – offenbar noch nicht so oft. Und während wir die Jagd von Garner nach dem Mörder und die von Lombardi und dessen Kollegin Nora Jackson auf Garner erleben – stets in abwechselnden Kapiteln, erfahren wir viel über die Geschichte des Skalpierens und damit verbundenen Mythen. Doch irgendwann ist Schluss mit den Jagden. In einem großen Showdown wird die Frage nach Motiv und Mörder beantwortet.

Skalpjagd ist sowohl ein spannender als auch ein interessanter Kriminalroman, bei dem man Ted Garner bei der Suche nach Motiv und Mörder gern folgt, die Zusammenarbeit von Lombardi und Nora mit einem gewissen Schmunzeln beobachtet sowie bei Lombardis Problemen mit seiner noch nicht ganz erwachsenen Tochter mit dem Profiler mitleidet.

Ein Lesevergnügen.

– – – O – – –

Frauke Buchholz: SKALPJAGD, erschienen im Pendragon Verlag (2024)

Veröffentlicht unter Rezension | Verschlagwortet mit , | Kommentar hinterlassen

TRÍONA WALSH: SCHNEESTURM

Zehn Jahre nach dem Tod ihres Freundes an Silvester trifft sich die Clique wieder, um Cillian zu gedenken. Auf die kleine Insel Inishmore vor Irlands Westküste sind Sorcha und Ferdy aus London angereist und Seamus, der erfolgreiche Drehbuchautor aus Hollywood. Dort wollen sie zusammen mit der Dorfschullehrerin Maura und Daithí, dem Wirt eines Pubs, und selbstverständlich mit der Witwe Cillians, der einzige Polizistin auf der Insel, die Tage um den Jahreswechsel gemeinsam verbringen. Kaum sind alle auf der Insel versammelt, bricht ein Unwetter über Inishmore herein. Ein Schneesturm unterbricht die Verbindungen zum Festland – zu Wasser und in der Luft – das Stromnetz fällt aus.

Die Clique trifft sich im verlassenen Elternhaus der Brüder Seamus und Cillian in scheinbarer Harmonie, doch erkennt Inselpolizistin Cara, dass es zwischen den angereisten Freunden erhebliche Spannungen gibt. Als dann die Nachricht kommt, dass unterhalb der Steilklippen eine Leiche im Meer liegt, ändert sich die Situation. Cara birgt zusammen mit Daithí die Tote, ermittelt selbstständig, da Indizien auf einen Mord schließen lassen und keine Hilfe vom Festland zu erwarten ist. Mehr und mehr kommt sie zu dem Schluss, dass jemand aus der Clique für den Tod verantwortlich ist, und stößt auf seltsame Ereignisse.

Da auf dem Cover schon kräftig gespoilert wird – „Eine irische Insel. Sechs Freunde. Einer ist tot. Einer ist der Mörder“ -, ergibt sich für Krimifans nur noch die Aufgabe, aus den Erkenntnissen Caras Schlüsse zu ziehen, wer der Mörder unter ihnen ist. Tríona Walsh erzählt die Geschichte, in dem sie Cara auf den falschen und richtigen Spuren folgt. Ein prickelnder Thrill kommt bei diesem als Thriller bezeichneten Roman nicht auf. Das Setting ist dagegen interessant und lädt zum Lesen ein. Am Ende – wie nicht anders zu erwarten – bewahrheitet sich, was auf dem Cover gespoilert wird.

Es ist die Geschichte vom Zerbrechen einer Clique, bei der der Zersetzungsprozess schon vor langer Zeit begonnen hat.

– – – O – – –

TRÍONA WWALSH: SCHNEESTURM, Übersetzung: Birgit Schmitz, erschienen bei FISCHER Taschenbuch (2023)

Veröffentlicht unter Rezension | Verschlagwortet mit | Kommentar hinterlassen

Thomas Ross: Pasvikelva

Gegen Ende des Thrillers möchte eine Fernsehmoderatorin von der Erfolgsautorin wissen, ob es sich bei dem als Fiktion bezeichnetem Buch „angesichts der detaillierten Schilderung und der Fortschritte in der Militärtechnik und der psychologischen Kriegsführung durchaus um einen Tatsachenbericht handeln könnte“.

Die Osloer Journalistin Marit hatte das Buch geschrieben, nachdem sie in einer Bar von dem ehemaligen norwegischen Elitesoldaten Ketil angesprochen worden war. Der versprach ihr eine brisante, ungewöhnliche Geschichte von seinem Einsatz jenseits des Grenzflusses zu Russland, dem Pasvikelva, und den Folgen für ihn persönlich sowie auf das Verhältnis zwischen den Nachbarstaaten Norwegen und Russland. Eine Geschichte, die Marit als Autorin bekannt machen würde, kämen die Geschehnisse an die Öffentlichkeit.

In geheimen Treffen berichtet Ketil Marit zunächst von dem geheimen Einsatz auf russischem Gebiet, bei dem er und ein paar Kollegen ein ungewöhnliches Phänomen – vermutlich mit militärischem Hintergrund – erkunden sollen.

Es kommt heraus, dass das Operationsgebiet der norwegischen Truppe von Russland mit dem Muster eines Schachbretts überzogen wurde und russische Drohnen mit Bewegungen wie Schachfiguren die Norweger observieren und bekämpfen. Aber auch die norwegischen Elitesoldaten sind sehr speziell ausgerüstet. So kommt es, dass der Einsatz einer Schachpartie gleicht.

Ketil erkennt das Spiel, sieht wie Kameraden dabei geopfert werden, kann selbst vom Schachbrett lebend entkommen.

Nicht entkommen kann er jedoch den Geheimdiensten der beiden Staaten, die vermeiden wollen, dass Ketils Wahrnehmungen und Erkenntnisse preisgegeben werden.

Für den Verfolgten beginnt die Flucht aus Norwegen und die Angst von einer der beiden Parteien liquidiert zu werden. Schließlich nimmt er Kontakt zu Marit auf, die lange Zeit nach Beweisen fragt, weil sie den Erzählungen des Informanten nicht traut. Phantasie oder Realität? Sie schreibt die mutmaßlichen Erlebnisse Ketils auf, gerät dabei ebenfalls ins Visier der Geheimdienste und veröfftentlicht letztlich die brisante Story. In einem Epilog erfahren wir, welche militärischen, politischen und personellen Konsequenzen Marits Buch auf beiden Seiten des Pasvikelvas zur Folge hat.

Fiktion oder „Tatsachenbericht“? Was Thomas Ross in diesem Thriller erzählt, beinhaltet sicherlich eine gewisse Schnittmenge von Beidem. Spannungen in der Grenzregion zu Russland an der norwegischen und der finnischen Grenze sind bekannt, ebenso die Reaktionen der benachbarten Länder und der NATO. Mit Pasvikelva schildert der deutsche Autor – nicht zu verwechseln mit dem 1995 verstorbenen amerikanischen Schriftsteller Ross Thomas – die politischen Verwerfungen zwischen Russland und dem Westen. Ein interessanter „Schachzug“, einen großen Teil des Geschehens in einer Schachpartie ablaufen zu lassen, bei der beide Seiten den Zug zum Schachmatt suchen.

– – – O – – –

Thomas Ross: Pasvikelva, erschienen 2023, Herausgeber: Books on Demand

Veröffentlicht unter Allgemein | 2 Kommentare

FRÜHER WAR MEHR VERBRECHEN – Historische Kriminalfälle aus dem erfolgreichen Podcast von Katharina Kolvenbach und Nina Batram

Aus inzwischen fast 90 Episoden ihres Podcasts, in dem sie über historische Kriminalfälle berichten, haben Kartharina Kolvenbach und Nina Batram 13 herausgesucht und legen sie hier in schriftlicher Form vor. Die Fälle ereigneten sich zwischen 1613 und 1909, mittendrin die Taten von Jack the Ripper.

Als Quellen dienten den beiden Podcasterinnen die Berichte von Historikern sowie von Autoren, die über die Verbrechen geschrieben haben. Es wird sich zumeist nicht auf die Originalquellen bezogen, wie es im Falle der Whitechapel-Morde zum Beispiel Philipp Röttgers und Dorothee Schröder in JACK THE RIPPER. Die Whitechapel-Morde 1888. Eine Chronologie (Tolino Media, 2023) oder Hendrik Püstow und Thomas Schachner in Jack the Ripper. Anatomie einer Legende. (Militzke, 2006) gemacht haben. Dennoch ergibt sich aus Kolvenbachs/Batrams Version eine akzeptable Zusammenfassung der Ereignisse und Hintergründe von dem, was sich 1888 im Londoner Eastend ereignet hat.

Ähnlich verhält es sich bei den anderen Episoden. Hier einige Beispiele:

Im 17. Jahrhundert wurde Sir Thomas Overbury ermordet, der zu der Zeit am und im Umfeld des englischen Königshauses lebte. Es ist die Geschichte von Intrigen und Günstlingswirtschaft in einem nahezu unüberschaubaren Beziehungsgeflecht.

Auch wenn das Motiv bis heute unklar blieb, das Leben und Morden des „Engels von Bremen“, Gesche Gottfried, kann in dieser Geschichte geradlinig verfolgt werden.

Von Kannibalismus wird in „Das Schicksal der Donner-Party“ berichtet, dem Treck von Siedlern, der 1846 in den Westen der USA aufbricht und elendig in nicht zu durchdringenden Schneemassen endet. Die Nahrungsmittel gehen aus, Menschen sterben, ein Teil überlebt, indem er sich von dem ernährt, was sich ergibt. Ein Ereignis, dass in Stephen Kings Shining erwähnt ist.

Auch der Mord an Hazel Drew wurde „verarbeitet“, allerdings als Film und als Fersehserie in „Twin Peaks“. Die wahre Geschichte aus dem Jahr 1908 wird hier von Katharina Kolvenbach und Nina Batram geschildert.

Bei den neueren Kriminalfällen greifen die Autorinnen zumeist auf zeitgenössische Quellen wie Zeitungen zurück.

So ergibt sich eine interessante Sammlung historischer Kriminalfälle, in der das Wesentliche zu den Ereignissen und den beteiligten Personen anschaulich und interessant dargestellt wird.

Ein Appetizer aus der Küche des Podcasts „Früher war mehr Verbrechen“, der Interesse daran weckt, auch andere Verbrechen aus längst vergangenen Zeiten kennen zu lernen (https://frueherwarmehrverbrechen.podigee.io/ )

– – – O – – –

Katharina Kolvenbach und Nina Batram: FRÜHER WAR MEHR VERBRECHEN – Historische Kriminalfälle aus dem erfolgreichen Podcast, erschienen im Droemer Verlag (2023)

Veröffentlicht unter Rezension | Verschlagwortet mit , , , | Kommentar hinterlassen

Tilmann Spreckelsen: Das Nordseekind – Theodor Storm ermittelt

Husum im Jahre 1845

Der Anwalt Theodor Storm hat sich in der Stadt zwei Jahre zuvor als Anwalt niedergelassen. Gut läuft die Kanzlei noch immer nicht und so hat der als Schriftsteller bekannt gewordene Advokat Zeit, in dem einen oder anderen Fall auch als Ermittler seinen Klienten zu helfen. Storms Schreiber Peter Söt dokumentiert diese „Nebentätigkeiten“ seines Chefs – mit Das Nordseekind zum fünften Mal.

Eine junge Frau, Enna, kommt mit ihrem Begleiter zu Storm und stellt sich als wahre Erbin eines riesigen Vermögens vor. Etwa 100 Höfe auf der Halbinsel Eiderstedt würden eigentlich ihr gehören, aber da sie als kleines Kind entführt worden wäre und nie wieder zu ihrer Familie zurückgekehrt sei, wurde der Besitz an andere vererbt. Eine mysteriöse Geschichte, die Storm aufgetischt bekommt und die ihm zunächst wenig glaubhaft erscheint.

Verschiedene Morde besonders dort, wo Enna in den Tagen nach ihrem Besuch bei Storm auftaucht, lassen den Anwalt jedoch aktiv werden. Er recherchiert bei denen, die das Erbe angetreten haben und da, wo sich die Morde ereigneten, immer auf Ennas Spur, jedoch zunächst jedes Mal zu spät, um mit ihr die Verhältnisse zu klären.

Storm stößt aber noch auf ein anderes Verbrechen, das sich mehrere hundert Jahre in der Gegend ereignet hat: Räuber haben junge Frauen aus der Gegend auf ihre Burg entführt und dort gefangen gehalten. Durch einige mutige Tat konnten diese Frauen wieder befreit werden – und diese Sage, „Die Wogenmänner“ – ist eine Quelle, auf der dieser Roman basiert. Eine zweite ist Theodor Storms Novelle „Auf dem Staatshof“. Ausgeschmückt wird der Roman mit der Beschreibung Landschaft und den alten Gehöften auf Eiderstedt sowie den Lebensgewohnheiten zur Zeit Theodor Storms in Husum und auf dem Lande.

Wie auch in den vier vorangegangenen Bänden der „Theodor-Storm-ermittelt-Reihe“ hat Tilmann Spreckelsen ausgiebig recherchiert und die Ergebnisse zusammen mit dem Kriminalfall geschickt und fein verbunden. Aber ein wesentlicher Teil, darauf verweist der Autor, ist fiktiv, obwohl es durchaus Realität hätte sein können: ein Geheimbund, von dem Theodor Storm erfährt.

Wer an der Geschichte der schleswig-holsteinischen Nordseeküste ein wenig interessiert ist und diese mit einem Krimi verquickt lesen mag, findet mit Das Nordseekind einen außergewöhnlichen lesenswerten Roman.

– – – O – – –

Tilmann Spreckelsen: Das Nordseekind – Theodor Storm ermittelt, Aufbau Taschenbuch (2023)

Veröffentlicht unter Rezension | Verschlagwortet mit , | Kommentar hinterlassen

DER JAHRHUNDERTCOUP – Ein Clan auf Beutezug und die Jagd nach den Juwelen aus dem Grünen Gewölbe

Wer hatte die kriminelle Energie für diese Tat? — Was ist schiefgelaufen beim Sicherheitskonzept des Grünen Gewölbes? — Welche Arbeit haben Ermittlungsbehörde aufgewendet, um die Täter zu identifizieren und festzunehmen sowie die Beute sicherzustellen? — Wie ist der Prozess gegen die „mutmaßlichen“ Täter abgelaufen? — Was sollten Politiker und Verwalter öffentlicher Schätze aus diesem Ereignis lernen?

Nach dem Raub der Schätze aus dem Grünen Gewölbe am 25. November 2019 haben Medien mit Berichten mit zu der bis dahin unvorstellbaren Tat überschlagen, Tatsachen, Spekulationen und Fake-News verbreitet.

Thomas Heise und Claas Meyer-Heuer recherchierten und geben zu den Fragen und Vielem mehr einen sachlichen und umfangreichen Bericht, der alle Aspekte dokumentiert.

Minutiös wird der Ablauf des Raubs beschrieben und dabei wird ersichtlich, wie professionell die Täter vorgingen und wie unvollkommen die Sicherheitsmaßnahmen waren, um ein solches Ereignis zu verhindern.

Ein völlig unzureichendes Sicherheitskonzept, veraltete Technik, schlecht ausgebildetes Sicherheitspersonal mit dilettantischen Reaktionen in diesem Ernstfall zeigen, wie fahrlässig bei der Sicherung der Schätze im Grünen Gewölbe verfahren wurde. Fahrlässig deshalb, weil die Verantwortlichen in Politik und Museumsleitung von vielen der Sicherheitslücken zum Teil seit vielen Jahren gewusst hatten. Fahrlässig auch, weil das Sicherheitspersonal nicht sorgfältig genug ausgewählt, nicht ausreichend geschult war und Ernstfälle nie trainiert hat.

Da nützt es auch lange Zeit nichts, wenn chronisch unterbesetzte Ermittlungsbehörden wie die eingesetzte SOKO am Limit arbeiten, dabei Hunderte von Spuren verfolgen. Viele führen ins Nichts, einige können aus Kapazitätsgründen nicht weiter verfolgt werden. Dazu kommt noch, dass nicht alle Beteiligten, die zur Klärung hätten beitragen können – wie zunächst Daimler-Benz mit Bewegungsdaten der Tatfahrzeuge oder denen der Täter in anderen Fahrzeugen des Konzerns – uneingeschränkt kooperativ waren.

Erstaunlich, dass trotzdem die Ermittlungen zum Erfolg führten, Täter zu identifizieren und festzunehmen sowie einen Teil der Beute wiederzubeschaffen.

Das alles schildern die Autoren glaubhaft.

Zudem gibt es eine große Menge an Hintergrundwissen über das Grüne Gewölbe und dessen Historie, mit einer Chronik über den Rammos-Clan und den jungen Mitgliedern, die endlich in einem Prozess verurteilt wurden. Dabei wird auch noch einmal der Ablauf des Raubs der 100 Kilogramm schweren Goldmünze aus dem Bode Museum zwei Jahre zuvor dargestellt, mit teilweise den gleichen Tätern, die allerdings zur Tat im Grünen Gewölbe trotz Verurteilung (nicht rechtskräftig!) auf freiem Fuß waren.

Schier unglaublich ist es zu erfahren, wie dieser Jahrhundertcoup abgelaufen ist. Im Epilog weisen die Autoren darauf hin, wie harmlos in der Politik bis heute den Umgang mit der Clankriminalität betrieben wird, wobei der derzeitige Bundesjustizminister in Berliner Sicherheitskreisen als „Täterschutzbeauftragter“ bezeichnet wird, auf den die Lobby der Rechtsanwälte viel Einfluss ausübt. Ein Berliner Ermittler, der die Clans wie kaum ein zweiter kennt, wird mit den Worten zitiert:

„Wir werden den Kampf gegen die Großfamilien nicht gewinnen. Wir werden ihn aber auch nicht verlieren“.

Mit dieser ernüchternden Aussage endet das Buch. Möge es den verantwortlichen in Politik ihr Versagen der Clan-Kriminalität vor Augen führen. Einige Verwalter von Schätzen in unseren Museen sollten lernen, die Gefahren durch Raub und andere kriminelle Taten ernst zu nehmen und alles zu tun, sie vor Tätern mit hoher krimineller Energie zu schützen.

Ein Buch, dass die naiven, gleichgültigen und desinteressierten Verantwortlichen aufrütteln sollte, den Großteil der Leser aber die Haare zu Berge stehen lässt.

Sehr gut recherchiert, trefflich und verständlich dokumentiert!

– – – O – – –

Thomas Heise, Claas Meyer-Heuer: Der Jahrhundertcoup – Ein Clan auf Beutezug und die Jagd nach den Juwelen aus dem Grünen Gewölbe. Erschienen bei der Deutschen Verlags-Anstalt (2023)

Veröffentlicht unter Rezension | Verschlagwortet mit , , , | 1 Kommentar