Wahrlich kannibalisch: MARK BENECKE: KANNIBAL. JAGDRAUSCH

Ein Koffer mit menschlichen Knochen wird an einem Müllcontainer entdeckt. Die Knochen fleischlos, jedoch mit Schabespuren, als hätte jemand das Fleisch von ihnen fein säuberlich entfernt.

So fängt der 2. Kriminalroman von Mark Benecke an, dem bekannten Kriminalbiologen, forensischen Entomologen, Vegetarier, Musiker, Politiker, Podcaster, Autor, ….(die Liste könnte noch um mehrere Zeilen ergänzt werden. Dr. Benecke referiert über Hitlers Schädel, Insekten auf Leichen, „Mord im geschlossenen Raum“ sowie diverse andere Themen mit kriminalbiologischen und anderen Hintergründen. Zuhörer und Zuhörerinnen hängen bei seinen Auftritten an seinen Lippen.)

Und nun ist sein 2. Kriminalroman erschienen:

Bei solch einem schwierigen Fall, in dem es so scheint, als sei ein Kannibale unterwegs, schaltet die Berliner Polizei einen Spezialisten, den Privatermittler Bastian Becker und dessen Kollegin Janina Funke ein, um diesen eigenartigen Fall zu lösen.

Der rote Faden des Plots ist ein ganz gewöhnlicher, viele Male von vielen Krimiautoren und -innen gesponnen: Leiche oder Teile davon werden gefunden, Ermittler (egal ob Kommissar oder Privatschnüffler -m,w,d -) stehen vor einem Rätsel, kommen schließlich Täter näher, geraten in dessen Fänge, werden schließlich nach Erleiden vieler Qualen und Todesängsten daraus befreit, lösen den Fall, nachdem Autor/Autorin etliche Red Herrings ausgelegt hatte.

So auch hier, aber: Auf den Fall kommt es in diesem Fall an.

Kannibalismus in Verbindung mit Mord kommt wohl nur selten vor. Und so glaubt zunächst niemand dem Ansatz Beckers, der sich bei der Suche nach dem Mörder in das Netzwerk der Kannibalismus-Szene im weltweiten Netz macht. Dort trifft er auf Leute, die ihre kannibalischen Fantasien ausleben, aber auch auf solche, die es sehr ernst meinen. Menschen, Longpigs genannt, die sich mit ihrem Fleisch anbieten, andere, denen es danach aus verschiedenen Gründen gelüstet. Wie die fanatische Suche des Privatermittlers abläuft: siehe oben „Der rote Faden …

Parallel zu jenem roten Faden lernen wir den mutmaßlichen Kannibalen kennen. Nahezu jedes zweite Kapitel ist ihm gewidmet, wir lernen ihn zu verstehen, wobei lange unklar bleibt, warum er sich so eigenartig verhält.

Es ist nicht nur der Fall, der hier erzählt wird. Benecke wäre nicht Benecke, wenn er nicht ab und zu aus seinem reichhaltige Erfahrungsschatz plaudern würde. So erfahren wir von Issei Sagawa, einem Japaner, der eine Frau getötet und teilweise verspeist hat, von den unterschiedlichen Arten des Kannibalismus, deren Geschichte und Erscheinungen. Wir lesen über die Motive der „Täter“. Nur ist es manchmal ein wenig oberlehrerhaft, wie die Fakten dargeboten werden.

Ich schätze Mark Benecke sehr als Wissenschaftler und verfolge seine Arbeiten im Bereich der forensischen Entomologie seit seiner Untersuchung von Maden, bei der er die Liegezeit der Leiche der Frau des Pastors Klaus Geyer ermittelt hat (1997/8). Diese Veröffentlichungen und Berichte faszinieren mich sowohl als Naturwissenschaftler als auch als Fan von Kriminalliteratur.

Den vorliegende Kriminalroman kann ich trotz des Allerwelts-Ablaufs wegen seiner interessanten Thematik dennoch empfehlen.

– – – O – – –

Mark Benecke: Kannibal. Jagdrausch, erschienen bei BENEVENTO (2023)

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