Den 14. Fall für Gamache bezeichne ich als „Zopfroman“, weil er drei Handlungsstränge beinhaltet, die hier miteinander wie ein Zopf verknüpft sind.
Der erste wird aus dem 13. Fall, Hinter den drei Kiefern, fortgeführt. Nach einem Desaster für Armand Gamache bei der Bekämpfung der Drogenmafia wurde er als Chief Superintendent der Sûreté du Quebéc suspendiert. Nun kämpft er darum, dass die Drogen, die durch seine verfehlte Strategie verschwunden sind und tödlich für Tausdende von Junkies sein können, wiedergefunden werden. Dafür geht er einen Weg, der ebenso fragwürdig ist. Zudem ist die Untersuchung über sein Vorgehen beim schief gelaufenen Einsatz noch nicht beendet. Noch ist er nicht rehabilitiert, die Suspendierung nicht rückgängig gemacht worden.
Im zweiten Strang erzählt Louise Penny die Geschichte, in der eine verstorbene Putzfrau, die sich Baronin nannte, Gamache zusammen mit der Buchhändlerin Myrna aus Three Pines und einem den beiden unbekannten Handwerker zu Testamentsvollstreckern ernannt hat. Die Verstorbene scheint den Dreien unbekannt zu sein. Verwunderlicher ist allerdings, dass sie testamentarisch verfügte, ihre drei Kinder jeweils mit einem Millionenerbe zu bedenken. War die Putzfrau nicht mehr ganz klar im Kopf, als sie das Testament geschrieben hat? Die Frage stellen sich die Testamentsvollstrecker.
Recherchen führen dabei zu einem 161 Jahre alten Testament. Das ist der dritte Strang des Zopfes. Und wie man einen solchen mit verschiedenen Techniken wie Flechten, Verknüpfen und Verzwirbeln herstellen kann, so ist es auch hier. Nur bedient sich Louise Penny des Perspektivenwechsels, springt in Zeit und wechselnden Orten. Zum Schluss werden die Stränge verknotet, wobei der eine wohl noch in den 15. Fall für Gamache mit den Folgen für den Ex-Chief Superintendent der Sûreté du Quebéc übergehen wird.
Das einzige, worauf sich unser lieb gewonnener Held Armand dabei verlassen kann, ist die Gemeinschaft von Three Pines, bei der die schrullige Dichterin Ruth Zardo ihren großen Auftritt hat – live und als Porträt, das die Malerin Carla von ihr angefertigt hat. Selbstverständlich steht Gamaches Ehefrau Reine-Marie ihm zur Seite. Doch wie verhält sich Schwiegersohn Jean-Guy, der ja mit verantwortlich war, als bei der Zerschlagung des Drogenkartells eine große Menge der tödlichen Droge verschwand? Für Jean-Guy stellt sich die Frage, wieweit er in seiner Loyalität gehen kann, ohne sein eigenes Leben und das seiner Familie zu zerstören.
Jeder dieser Stränge und das Drumherum in Three Pines ist in der Art geschrieben, die wir von Louise Penny kennen und schätzen. Dazu gehört das „Fuck Fuck Fuck“ von Rosa, Ruths Kodderschnauze, das umtriebige Gehabe von Oliver und Gabri sowie anderen vertrauten Personen in deren Umfeld.
Wer vom 1. Fall für Gamache dabei ist, wird sich selbst wie ein Teil der Gemeinschaft von Three Pines und als guter Bekannter von Armand Gamache vorkommen. Denjenigen, die nicht zu diesem Kreis gehören und jetzt erst auf die Buchreihe stossen, sei geraten, zumindest den 13. Fall vor diesem aktuellen zu lesen, da dieser Band einen wesentlichen Bezug zu Gamaches Agieren dort hat.
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Louise Penny: Auf einem einsamen Weg – Der 14. Fall von Gamache. Erschienen im Kampa Verlag (2022), Übersetzung: Andrea Stumpf und Gabriele Werbeck, Originaltitel: Kingdom of the Blind (USA, 2018)
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Bisher besprochene Bände der Reihe:
Band 1: Das Dorf in den roten Wäldern
Band 4: Lange Schatten
Band 5: Wenn die Blätter sich rot färben
Band 6: Heimliche Fährten
Band 7: Bei Sonnenaufgang
Band 8: Unter dem Ahorn
Band 9: Der vermisste Weihnachtsgast
Band 10: Wo die Spuren aufhören
Band 11: Totes Laub
Band 12: Auf keiner Landkarte
Band 13: Hinter den drei Kiefern
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