Erica Ferencik: Ein Lied vom Ende der Welt

—– oder GIRL IN ICE, wie es treffend im Original heißt —–

Die Wahrheit über Andy herausfinden, Naaja enträtseln, gegen meine Trauer und Angst ankämpfen.“ Das ist die Mission von Val, einer Linguistin, die sie einige Flugstunden nordöstlich von Thule in Grönland erfüllen will.

Auf der Forschungsstation, auf der Zwillingsbruder Andy zusammen mit seinem Forscherkollegen und Mentor Wyatt das Gletschereis untersuchten und Beobachtungen zum Klimawandel machten, starb Andy. Für Val unter nicht geklärten Umständen. Ein Jahr später erhält Val eine Nachricht von Wyatt, in der er die Linguistin bittet, zu ihm in die Arktis zu kommen. Er habe dort ein junges Mädchen aus dem „ewigen Eis“ herausgeschnitten und wieder zum Leben erweckt. Ihr Sprache sei ihm aber unbekannt, die Sprachwissenschaftlerin möge helfen, das Mädchen zu verstehen.

Val, üblicherweise von Ängsten belastet und mit Medikamenten ein halbwegs erträgliches Leben führend – möglichst ohne ihren Wohnort zu verlassen – stürzt sich in das Abenteuer und reist in die Arktis. Zum einen aus Interesse an dem Mädchen und ihrer Sprache, die auch sie nicht versteht, vor allem aber, um die Wahrheit über den Tod ihres Zwillingsbruders herauszufinden. Dort trifft sie auf den Leiter der Forschungstation, Wyatt, einem unkalkulierbaren Menschen und auf seine Köchin, Mechanikerin und Helferin in allen Lebenslagen namens Jeanne. Zudem ist noch ein anderes Forscherpaar vor Ort und vor allem Naaja, die aus einem Eisblock aufgetauchte und wiederbelebt Achtjährige. Naaja scheint nicht aus dieser Welt zu sein, verfügt über eigenartige Verhaltensweisen, ist völlig verängstigt. Was sie spricht ist für die Kennerin der nordischen Sprachen zunächst unverständlich. Sowohl sprachlich als auch menschlich fällt der Zugang zu Naaja schwer. Außerdem wird das Mädchen zunehmend von einer rätselhaften Krankheit bgeschwächt. Anhand von Zeichnungen und Gemütszuständen Naajas erkennt Val, dass das Ende für das Mädchen naht. Diese Auftau-Wiederbelebungs-Geschichte und das, was die Zwillingsschwester über Andys Tod in Erfahrung bringt, lassen für Val den Schluss zu, dass Wyatt neben seinen Arbeiten am offiziellen Forschungsauftrag auch ein ganz anderes Interesse hat: Durch eigene Forschungsergebnisse zu glänzen. Das scheint das Motiv zu sein, das die Schicksale von Andy und Naaja zusammen führt.

Zunächst plätschert die Handlung nahezu frei von Spannungselementen dahin, wobei die Befindlichkeiten Vals im Vordergrund stehen. Nach einiger Zeit ihres Aufenthalts in der Arktis wird es jedoch ein wenig aufregender. Durch einige Zwischenfälle und Auseinandersetzungen auf der Forschungsstation und um diese herum wird die Wahrheit ersichtlich. So pendelt die Story dann zwischen melodramatischen Momenten, Fantasy, Krimi und Wissenschaftsroman. Die Heldin – Val – gerät dabei in Lebensgefahr, überwindet ihre Angstpsychose, rettet das „Mädchen aus dem Eis“.

Das Ende ist wie in einem wahren Westernfilm bei dem die Helden als Sieger in die untergehende Sonne reiten: Die Geister der Kinder tanzten fröhlich, ihre Mütter und Väter würden sie immer sehen können, und sie waren da oben sicher. Ich (gemeint ist Val) lächelte, sagte:“Bahl, lieben, Geschichte, tanzen,Kinder, Himmel, Nacht.“

Letztlich kann dieser Roman (mich) nicht faszinieren, mit Ausnahme einiger Szenen in der Natur, auf und unter dem Eis. Wenn auf dem Schutzumschlag mit den Worten geworben wird „ Für Leser:innen von … Fräulein Smillas Gespür für Schnee“, so ist dies eine knackige Werbeaussage, aber ein Versprechen, das Erica Ferencik nicht erfüllt.

– – – O – – –

ERICA FERENCIK: EIN LIED VOM ENDE DER WELT: Übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann, erschienen im Goldmann Verlag (2022), Originaltitel: GIRL IN ICE (USA, 2022)

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