Ob alle 16 Fälle als spektakulär, wie im Untertitel ausgewiesen, bezeichnet werden können, wird jeder Leser entscheiden. Ob sie zu Deutschlands spannendsten Verbrechen gehören, wie sie auf dem rückwärtigen Einbanddeckel angepriesen sind, ebenso.
Den hart gesottenen Krimifan werden die „wahren Fälle“,von „echten Tätern“ begangen, nicht alle begeistern können.
Schon die erste True-Crime-Story strotzt vor Schlichtheit: Ein Jemand überfällt bevorzugt Banken und ermordet dabei ohne Skrupel die, die ihm im Weg stehen oder nur anwesend sind. Schuld an den Morden sind die Toten sowie die Mutter des Mörders, deren Verbote ihn aus der Bahn geworfen haben. Das Bedeutsame an diesem Fall ist, dass niemand in Deutschland solange eingesessen hat wie der Mörder, der in seiner Biografie noch immer nicht die Schuld eingesteht.
Spektakulär ist dagegen die Ermittlung im Mord des zehnjährigen Marco Schlitter, jedoch nicht wegen des Verbrechens, sondern wegen des Aufwands bei der Aufklärung. Berühmt wurde dieser Fall durch den Einsatz der größten Sonderkommission und der größten Suchaktion in der Geschichte Deutschlands. Zudem ist es wohl auch der Fall mit einem der größten Medieninteresse hierzulande im 21. Jahrhundert. Ein Fall, der in sämtlichen Medien lange Zeit überaus präsent war. Das bedeutet, dass kaum noch ein Leser dieses Buches hierüber etwas Neues erfahren kann.
Im Falle des Kokainschmugglers ist das Spektakuläre ebenfalls nicht das Verbrechen, sondern die Tatsache, das der Schmuggler ohne besondere Segelkenntnisse in einem ungeeigneten Boot die Ozeane bereist hat.
Dennoch lassen sich durchaus spektakuläre Verbrechen finden. Die Witwe Estibalitz hat durch ihre Lebenserwartung, die Morde, die Beseitigung der Toten und ihr Verhalten danach für genügend Gruseliges gesorgt. Soviel, dass gesagt werden kann, in kaum einem Film oder Roman hätte diese Story spektakulärer dargestellt werden können.
Ob die hier als „spektakuläre Verbrechen“ und „spannendste Fälle“ halten, wie die Stories angepriesen werden, bleibt den Leserinnen und Lesern überlassen.
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Guiseppe Di Grazia (Hg.): WAHRE VERBRECHEN – 16 spektakuläre Fälle, Penguin Verlag (2021)