Hey LOEWE-verlag, da ist wohl was schiefgelaufen mit dem verhaltensbasierten Targeting eurer Marketingfuzzis. Bin 5x älter als die Zielgruppe für das Buch, kratze demnächst an der 80. OK, bin Krimifreund, vielleicht hat Loewes Algorithmus deshalb entschieden, mich zu influenzieren, es zu lesen. Passt dann wohl auch.
Es geht um Manipulation in der Welt der Social Media durch Influencing, das von Einzelnen mit zum Teil Millionen von Followern betrieben wird, um das Abgreifen von persönlichen Daten zwecks verhaltensbasiertem Targeting und um Manipulation im großen Stil, wie es vor einiger Zeit noch undenkbar, inzwischen aber real geworden ist.
Von Kapitel zu Kapitel alternierend wird die Story der zwei Protagonistinnen Hannah und Imogen erzählt:
Hannah, sechzehn Jahre alt, wurde gerade in London der Schule verwiesen, nachdem sie in der Schülerzeitung einen Beitrag veröffentlicht hatte, der den Schulleiter in ein schlechtes Licht rückte. Mutter verstorben, lebte sie zuletzt bei ihrer Großmutter und zieht jetzt zu ihrem Vater, Chef einer Tageszeitung, nach Reykjavik. Sie erzählt im Hier und Jetzt, was sie dabei erlebt als sie ein Praktikum im Zeitungsverlag macht, dabei Imogen kennenlernt.
Imogen Collins, wenige Jahre älter als Hannah, arbeitet nach abgebrochenem Psychologiestudium in Cambridge in einer Londoner PR-Agentur, nebenbei als Influencerin mit mehr als einer Million Followern. Traumabehaftet durch ein übles Erlebnis an der Uni, bekommt sie die Chance in Reykjavik an einem interessanten Projekt zu arbeiten. Ihre Geschichte hängt anfangs einige Wochen hinter Hannahs hinterher.
Ihre Wege kreuzen sich, sind durch die beiden unterschiedlichen Zeitebenen geschickt verknüpft. Sie treffen sich, als Hannah die Influencerin für die Online-Ausgabe einer isländischen Zeitung interviewt. Imogen, in Hannahs Augen zwar als Social-Media-Star bewundernswert, vom Auftreten im Interview von Arroganz geprägt, lässt sich auf ein Interview ein, bei dem die Fragen doch tiefer gehen, als das zu erwarten war. Daraus bildet sich zwischen den beiden ein Verhältnis, das hier nicht näher beschrieben werden soll.
Hannah hatte bei ihrer Ankunft auf Island am Straßenrand eine Leiche gesehen und dieser Tote – oder wie es zu dem Tod kam – ist es, was die Story bestimmt. Das alles geschieht in der Welt von Social Media und der Forschung zu besseren Erkenntnissen über Verhalten und Denken potenzieller Zielgruppen zwecks …… (siehe oben).
Imogen ist dabei wie Schneeflocken: „Es hat angefangen zu schneien. … Die Schneeflocken wirken so hübsch, so unschuldig, beinahe aufreizend zart. Doch das täuscht. … Schneeflocken bestehen aus Kristallen, mit harten, messerscharfen Kanten und in großer Zahl können sie zur Gefahr werden, Zur tödlichen Gefahr. Imogen ist wie diese Schneeflocken, …“
Sigmars Tochter Sif ist mit diesem Thriller für Jugendliche ein Scoop gelungen, der nicht nur Jugendliche anspricht, sondern als „all-age-crime“ bezeichnet werden kann, wenn Leser und Leserinnen der Welt der Social Media aufgeschlossen sind und sich für die Möglichkeiten der Manipulation durch diese Medien interessieren. Erwarten sollten sie jedoch keinen – wie vom Verlag beschrieben – Nordic-Noir, aber eine spannende Geschichte – Thriller trifft zu – inklusive Leichen und Lügen sowie „The Sharp Edge of a Snowflake“ – so der Originaltitel.
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Sif Sigmarsdóttir DAS DUNKLE FLÜSTERN DER SCHNEEFLOCKEN, erschienen im Loewe Verlag (2020), übersetzt von Ulrich Thiele. Originaltitel: The Sharp Edge of a Snowflake (GB, 2019)
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Wie auch immer der Loewe-Verlag auf mich gestoßen ist – gelungenes Targeting!
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Eine zweite Meinung, nachzulesen auf DIE DUNKLEN FELLE