Gleich vorweg: Das Versteck ist der zweite Band der BLOOD ON SNOW – Reihe, jedoch keine Fortsetzung mit gleichem Personal des vorhergehenden Teils (Der Auftrag).
Wie Der Auftrag ist es eine Geschichte des Kampfes David gegen Goliath.
Hier heißt der David Ion, der vor dem Zugriff seines Bosses in ein Versteck weit im Norden Norwegens flüchtet. Mehr als 2000 Kilometer von Oslo, seinem ehemaligen Arbeitsplatz entfernt, im nordöstlichen Zipfel Norwegens nennt sich Ion zur Tarnung Ulf. Aber die Hoffnung, dem Fischer zu entgehen ist gering, weil
„Der Fischer findet immer, was er sucht“
Und so lebt Ulf nach dem Motto:
„Nichts ist schlimmer als eine Kugel, von der man nicht weiß, wann sie kommt.“
Er war Geldeintreiber für den Fischer, DEM Drogenhändler Oslos. Aber das Geld zur Heilung seiner Tochter reichte nicht. Die Chance kam, als Ulf einen Einsatz als Expedient erhielt, um einen unzuverlässigen Mitarbeiter des Bosses zu „expedieren“. Doch es kam wie es kommen musste. Das Ergebnis machte den Fischer nicht glücklich. In solchen Fällen schickt der Fischer Killer los. Deshalb braucht Ulf ein gutes Versteck, denn geht davon aus, siehe oben: „Der Fischer findet immer, was er sucht“. Ulf findet ein gutes Versteck in der Nähe eines kleinen Kaffs, einige Autostunden vom nächsten Städtchen entfernt. Er findet Anschluss an Einheimische, heidnische Samen aber besonders auch an eine Frau mit ihrem Sohn, die einer exotisch anmutenden christlichen religiösen Bewegung angehören, dem Læstadianismus. Trotz dieser geografischen und gesellschaftlichen Abgeschiedenheit, findet der Fischer die Spur und auch noch das Versteck. Doch dann passiert etwas – und auf eine solche Idee kann nur ein Jo Nesbø kommen, der sich in der Vergangenheit einige außergewöhnliche Mordinstrumente wie den Leopoldsapfel einfallen lassen hat. – Ulf findet ein neues Versteck, eines, das in dieser Form wohl noch nicht beschrieben wurde.
Damit ist die Story des Kampfes David gegen Goliath fast zu Ende.
Wie bereits in Der Auftrag schildert Nesbø die Geschichte aus der Sicht des Davids, der seine menschliche Tragödie erzählt und wie es deshalb zur Flucht vor dem Fischer gekommen ist. Dabei gelingt es Jo Nesbø, dass der Leser bei Ulfs Flucht und dem Versteckspiel mitfiebert, ihm die Daumen drückt, ihm ein Happy End wünscht. Das ist für einen Nicht-Læstadianer wie Ulf nicht einfach. So einer muss eigentlich in der Hölle verbrennen.
Aber ob Himmel oder Hölle letztlich das Ziel des Helden ist, es ist nachrangig. Die Erwartung auf das, was eintreffen wird oder nicht, macht diesen Thriller so fesselnd.
Auf dem hinteren Buckdeckel steht fast alles, worum es in diesem Buch geht: Eine gelungene Vorstellung des Thrillers ohne Blablabla, dass es das tollste, spannendeste und überhaupt beste Buch sei, das der Autor jemals geschrieben hat, und ohne gefällige Lobhudeleien von berühmten oder noch berühmteren Kollegen.
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Originaltitel: Mere Blod (Norwegen, 2015), dt. 2016 (Übersetzung Günther Frauenlob)
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