Beachtenswerte Krimi-Debüts 2015

Sie sind keine Romane, die in den Bestseller-Listen ganz oben auftauchen. Einige haben es geschafft, von der Jury der KrimiZeit-Bestenliste genannt zu werden oder in den Bestenlisten/Highlights/Top 5 des vergangenen Jahres auf Blogs vorgestellt zu werden:

Erstlinge, Debüts von Autoren, die sich mit ihren Büchern auf das Gebiet der Kriminalliteratur wagen. Veröffentlicht bei kleineren engagierten Verlagen, aber auch bei großen – diese bringen Erstlinge zumeist fremdsprachiger Autoren, die bereits anderswo aufgefallen sind. Und dann gibt es noch die Selfpublisher unter den Autoren, die Glück haben, wenn ihr Roman überhaupt außerhalb eines kleinen Umfelds wahrgenommen wird. In diesem Konglomerat von Verlagen mit großem Marketing-Budget über mittelständische Unternehmen bis hin zu Selfpublishern sind mir im letzten Jahr einige Bücher aufgefallen, die hier noch einmal besonders erwähnt sein sollen.

Zunächst von deutschen Autoren drei Bücher, die ich bisher in keiner Bestsellerliste gefunden habe:

20150822_112629Leif Tewes: Tag Null Die Geschichte von einem erfahrenen Auftragskiller, der einmal daneben schießt. Wie reagiert ein Sniper in dieser Situation? Wie verhält er sich gegenüber seinem Auftraggeber? Was macht er, als er erkennt, warum der Schuss daneben ging? Das alles erzählt Leif Tewes in Tag Null. Interessant aufgebauter Thriller mit jeder Menge „Action“, der nur bei der ausführlichen Beschreibung der Arbeitsweise krimineller Banden vom Balkan und deren organisierte Verbrechen ein wenig langatmig wirkt. Dafür erfahren die Leser dieses Thrillers jedoch viel über deren brutales Vorgehen. Als Taschenbuch im fhl Verlag erschienen.

P1020596Tilmann Spreckelsen: Das Nordseegrab  Dieser „Theodor-Storm-Krimi“ – so der Untertitel – erzählt viel aus dem Leben des jungen Advokaten und zeichnet ein anschauliches Bild vom Leben in der Stadt Husum im Jahre 1843. Nebenbei geht es auch noch um die Aufklärung eines alten Verbrechens. Tilmann Spreckelsen hat dazu ausgiebig und sorgfältig recherchiert, sogar einen authentischen Fall gefunden, in dem Storm als Verteidiger agierte, der hier in die Handlung eingearbeitet wurde. Das Nordseegrab ist kein Regionalkrimi, sondern ein Kriminalroman mit starken Bezug auf Theodor Storm und dessen Werk. Den Lyriker und Erzähler finden wir in der Rolle des Ermittlers. Dessen Vorgehen in einem fiktiven Fall wird von Storms Schreiber Peter Söt berichtet.

Für Leser, die nicht ausschließlich darauf erpicht sind, einen spannenden Kriminalfall vorgelegt zu bekommen, die sich an diesem „Sittengemälde“ aus der kleinen norddeutschen Küstenstadt und ihrem bekanntesten Bürger erfreuen können, ohne dabei unbedingt ein Verehrer von Theodor Storms schriftstellerischem Werk sein zu müssen. Erschienen als Fischer-Taschenbuch

P1030315Robert Saemann-Ischenko: So ich dir Das letzte Ziel, das der krebskranke ältere Mann wenige Monate vor seinem Tod hat: Er will den weißrussischen Diktator Alexander Lukaschenko ermorden. Genauer gesagt: erschießen.

Nebenbei erfahren wir, was im heutigen Jagdgebiet Lukaschenkows während des II. Weltkriegs passierte. Mit welchen Kriegsverbrechen deutsche Kräfte der Wehrmacht unter Führung des damaligen Oberforstmeisters Walter Frevert die Bevölkerung aus dem Jagdgebiet für den Reichsjägermeister Hermann Göring und dessen jagende Kumpane „evakuierte“, das riesige Jagdgebiet, den Urwald von Bialowieża, mit dessen letzten Wisentbestand „frei von Juden und Partisanen machte“. Hier werden Fakten genannt. Ebenso wie über das Wirken von Lukaschenkow, dessen diktartorisches Verhalten, auch im Umgang mit Kritikern seiner Amtsführung und deren Verschwinden. Daraus leitet sich der Plan des „So ich dir“ ab. Trotz aller amüsanter Anekdoten auf dem Weg zum Jagdschein, den der Mann macht, um in das Jagdgebiet Lukaschenkos reisen zu können, erzählt Saemann-Ischenko einen Thriller, bei dem dem Jäger der Treffer gewünscht wird. Eingebunden in diese Fiktion ist die Realität, die Schilderung von Kriegsverbrechen vor rund 75 Jahren sowie die kriminellen Machenschaften des hoffentlich letzten Diktators in Europa des 21. Jahrhunderts. Erschienen bei Books on Demand als Taschenbuch, auch als eBook erhältlich.

In diverse Bestenliste hat es das folgende Buch bereits geschafft. Es wurde auch von mir als eines der Highlights des letzten Jahres bezeichnet. Hier nochmals die Vorstellung:

P1030170Andreas Kollender: Kolbe Mir ist kein Agententhriller aus der Zeit des zweiten Weltkriegs bekannt, der derart sensibel in einem Zusammenspiel von Fiktion und wahren Gegebenheiten das Wirken eines Spions und Widerstandskämpfers beschreibt, wie dieser.

Andreas Kollender schildert die Geschichte des Widerstands des biederen aber in die Zukunft blickenden Fritz Kolbe, dessen berufliche und private Erlebnisse, die Liebe zu Marlene, die Traurigkeit, fern von seiner Tochter Katrin zu leben.

Ich schließe mich dem Statement von Marcus Müntefering in SpiegelOnline an: “Andreas Kollender (hat) dem Widerstandskämpfer mit seinem Roman “Kolbe” ein Denkmal gesetzt.”

Anerkennung in den Ländern, in denen die Bücher zuerst veröffentlicht wurden, haben sie bereits erhalten. Inzwischen schreiben die beiden Autoren fleißig an weiteren Büchern:

20150823_141629Nick Lauth: Die Suche Originaltitel: Bite. Und das ist es, worum es geht. Der Stich des Moskitos, der Malaria überträgt, und um die Entwicklung eines Medikaments dagegen, besonders aber, wie von dem fiktiven Pharmakonzern Pharmstar verhindert wird, ein wirksames Arzneimittel zu testen und in den Markt einzuführen, denn: „Ich bin nicht interessiert an Krankheiten, die zehn Millionen Arme im Jahr töten. Befassen Sie sich mit etwas, was zehntausend Reiche umbringt.“ So fertigte der Boss von Pharmstar Cooperation den Forscher ab, der dieses wirksame Medikament vorstellte. Als die Krankheit auch in Europa auftritt und zur gleichen Zeit eine Forscherin verschwindet, die auf einem Kongress in Amsterdam über den Stand der Malaria-Forschung referieren will, wird es dramatisch. Die Suche nach ihr läuft vor dem Hintergrund verwerflicher Interessen dieses fiktiven Pharmakonzern und einiger Wissenschaftler. Dass dieser Thriller auf den letzten Seiten nach einem sich über mehrere Stufen steigernden Showdown fast zu einem Cosy Crime mutiert, tut diesem Buch keinen Abbruch. Denn die 400 Seiten sind vollgepackt mit aufregendem Geschehen. Erschienen als Taschenbuch bei Ullstein, nachdem es bereits 2007 in UK erschien.

Zum Schluss dieser Vorstellungen noch ein Erstling, dessen Autor von Elmar Krekeler in der Welt so vorgestellt wurde: „Jérémie Guez ist der Shootingstar der französischen Literatur. „Paris, die Nacht“ heißt sein erster Roman. Eine hinreißende, elegante, unaufhaltsame Reise durch Drogen und Blut und Aussichtslosigkeit.“

„Paris, die Nacht“ ist auch eines meiner Krimi-Highlights 2015:

P1020247Jérémie Guez: Paris, die Nacht Es ist nicht nur die Sprache der jungen Leute, die nachts durch Paris latschen – mal ohne Ziel, mal mit – die hier geschildert wird. Es ist die Sehnsucht nach einem besseren Leben, die aber immer wieder überdeckt wird von der Erkenntnis, dass ihnen der Weg in eine derartige Zukunft verschlossen bleibt. „Erbarmen, sie haben ein besseres Leben verdient“, möchte man beim Lesen rufen. Aber die jungen Männer haben ihre Zukunft schon hinter sich, können noch mal den einen oder anderen Versuch unternehmen, aus diesem Dilemma herauszukommen, davonzulaufen. Aber es bringt nichts. Sie wissen es, kehren wieder zurück. Es sind die Bilder der Banlieue mit ihren wütenden Jugendlichen, den brennenden Autos, die sich beim Lesen zu den Szenen des Romans gesellen. Ein Paris, das ich nicht erleben möchte, eine düstere Szenerie, von Jérémie Guez nachdrücklich und  eindrucksvoll beschrieben. Erschienen in Frankreich im Jahr 2011, 2015 in deutscher Übersetzung im Polar Verlag veröffentlicht.

 

 

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3 Antworten zu Beachtenswerte Krimi-Debüts 2015

  1. janosch79 schreibt:

    Sehr interessante Auswahl! „Die Suche“ von Nick Louth hat mir auch sehr gut gefallen.
    Drei Debüts, die mir sehr gut zugesagt haben in 2015 waren: Luca Veste: „Die Lektion des Todes“. Das deutsche Debüt: „Federspiel“ von Oliver Menard. Aus Schweden: „Nebelkind“ von Emelie Schepp.

  2. karu02 schreibt:

    Die Suche habe ich gelesen, kann die Empfehlung bestätigen.

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