Die Preisträger des Deutschen Krimi Preises 2016 sind veröffentlicht. Von der Jury der KrimiZEIT-Bestenliste wurden die besten Krimis des Jahres 2015 vorgestellt. Zudem posteten etliche Blogger, welche Krimis ihnen am besten gefallen haben.
Zur Komplettierung nun auch noch meine Krimi-Highlights aus den Neuerscheinungen des letzten Jahres.
Auch in diesem Jahr gebe ich zu, dass ich nur einen Teil der Neuerscheinungen gesichtet und aus diesem etwa 70 Krimis gelesen habe. Bewußt habe ich nicht nur Krimis gelesen, die von der Jury der KrimiZEIT-Bestenliste ausgewählt wurden und zumeist abseits des Mainstreams schwammen. Krimis noch unbekannter Autor*innen und Autoren aber auch Krimis, die dem Mainstreams zugerechnet werden, gehörten ebenso zum meiner Lektüre.
Zunächst die Lieblingskrimis/-thriller „aus deutscher Feder“:
Andreas Kollender: Kolbe Mir ist kein Agententhriller aus der Zeit des zweiten Weltkriegs bekannt, der derart sensibel in einem Zusammenspiel von Fiktion und wahren Gegebenheiten das Wirken eines Spions und Widerstandskämpfers beschreibt, wie dieser.
Andreas Kollender schildert die Geschichte des Widerstands des biederen aber in die Zukunft blickenden Fritz Kolbe, dessen berufliche und private Erlebnisse, die Liebe zu Marlene, die Traurigkeit, fern von seiner Tochter Katrin zu leben.
Ich schließe mich dem Statement von Marcus Müntefering in SpiegelOnline an: “Andreas Kollender (hat) dem Widerstandskämpfer mit seinem Roman “Kolbe” ein Denkmal gesetzt.”
Zoë Beck: Schwarzblende Das besondere an diesem Roman ist nicht, dass es einen ähnlichen Mord, den an Lee Rigby, in London gab, sondern vielmehr die Beschreibung wie der Weg vom Rand der Gesellschaft hin zu Kriegern des IS verlaufen kann. Der Weg von Menschen, die von ihrer Art zunächst weit entfernt sind vom dem, was sie letztlich zu Hass und terroristischen Taten führt, sie aber aus Frust und mangelnder Akzeptanz durch Teile unserer Gesellschaft dorthin treiben kann.
Vergleicht man die Realität mit den fiktiven Ereignissen in Schwarzblende, so liegt mit diesem Roman ein Polit-Thriller von unvergleichbarer Aktualität vor. Vieles, was mit dem Titel „Polit-Thriller“ bezeichnet wird, erscheint als retrospektive Fiktion. Hier erleben wir Fiktion als Parallele zur Realität. Wir erleben ein Rennen dieser beiden Welten. Und das macht Schwarzblende einmalig und zum herausragenden Thriller des Jahres und zu einem der besten dieses Genres.
Ins Deutsche übersetzt „aus aller Welt“:
Jeremie Guez: Paris, die Nacht Es ist nicht nur die Sprache der jungen Leute, die nachts durch Paris latschen – mal ohne Ziel, mal mit – die hier geschildert wird. Es ist die Sehnsucht nach einem besseren Leben, die aber immer wieder überdeckt wird von der Erkenntnis, dass ihnen der Weg in eine derartige Zukunft verschlossen bleibt. „Erbarmen, sie haben ein besseres Leben verdient“, möchte man beim Lesen rufen. Aber die jungen Männer haben ihre Zukunft schon hinter sich, können noch mal den einen oder anderen Versuch unternehmen, aus diesem Dilemma herauszukommen, davonzulaufen. Aber es bringt nichts. Sie wissen es, kehren wieder zurück. Es sind die Bilder der Banlieue mit ihren wütenden Jugendlichen, den brennenden Autos, die sich beim Lesen zu den Szenen des Romans gesellen. Ein Paris, das ich nicht erleben möchte, eine düstere Szenerie, von Jérémie Guez nachdrücklich und eindrucksvoll beschrieben.
Malla Nunn: Tal des Schweigens „Kriminalromane sind ein Spiegel, der das Beste und Schlechteste einer bestimmten Zeit und eines bestimmten Ortes reflektiert. Die Ermittlung erzählt uns etwas über das Opfer, den Täter und die Gesellschaft, in der sie beide leben.“ (Malla Nunn in einem Gespräch mit Sonja Hartl für Polar Noir: hier) Malla Nunn zeigt hier die Fratze der grausamen Apartheidpolitik, lässt jedoch den „gemischtrassigen“ Detective Cooper als integeren Ermittler agieren, wie er zu jener Zeit im Südafrika des Jahres 1953 vermutlich selten anzutreffen war. Durch ihn erhält der Roman die gesellschaftskritische Komponente, die das Buch so interessant macht ohne auf die im Kriminalroman erforderliche Spannung zu verzichten.
Fred Vargas: Das barmherzige Fallbeil Getötet zu werden ist selten eine Angelegenheit der Barmherzigkeit. Nicht während der Zeit als „Feinde der Revolution“ in Frankreich in großer Zahl mit maßgeblicher Beteiligung des „Blutrichters“ Robespierre ohne Prozesse durch die Guillotine geköpft wurden. Auch nicht, als innerhalb kurzer Zeit in und um Paris als Selbstmorde getarnte Morde verübt werden, an deren Tatorten das Piktogramm einer Guillotine hinterlassen wird. Obwohl….Was passierte wirklich auf der kleinen Insel vor Island, als ein Gruppe von Franzosen dort zwei Wochen im Nebel eingeschlossen waren, zwei von ihnen den Ausflug nicht überlebten? Kommissar Adamsberg will es wissen, um Morde in und um Paris zu klären. Fred Vargas zeichnet ihre Figuren so genau, mit jeder Macke, jeder Stärke und jedem Defizit, dass verstanden wird, warum die Personen so und nicht anders handeln. Sie beschreibt die Szenarien und die Handlungsabläufe so detailliert, dass übersinnlich Erscheinendes Wirklichkeit zu werden scheint. Damit sind die Romane Fred Vargas – und das gilt auch für „Das barmherzige Fallbeil“ – nie langweilig sondern einmalig.
Und außer Konkurrenz – weil ich diesen Roman nicht in das Fach Krimi/Thriller zwängen will -, der Inhalt des Buches mich jedoch beeindruckt hat:
Merle Kröger: Havarie Der Autorin ist mit diesem Roman, der auf realen Ereignissen basiert, zumindest gelungen: Aufmerksam zu machen auf die Flüchtlingsdramen, die sich weltweit und speziell im Mittelmeer abspielen, und uns die letzten Illusionen von der scheinbar heilen Welt auf den feinen Kreuzfahrtschiffen. Zudem geht es um Umweltzerstörung und katastropahle Folgen für die Gesundheit der Menschen, die menschliche Seite des Ukrainekonflikt wird an einem Beispiel aufgezeigt. Und irgendwo wird in der Vergangenheit einer Kreuzfahrtlerin gegraben, die durch Zufall nicht auf der letzten Fahrt der Wilhelm Gustloff an Bord war.
Nun denn – gleich ob Krimi/Thriller oder nicht oder mehr –, ich will mir keine Gedanken machen um die Zuordnung zu einem Genre, keine Phrase dreschen über das Genreübergreifende in diesem Roman. Ich denke nur darüber nach, wie nahe die hier beschriebenen Fiktionen an der Wirklichkeit sind, zu welchen Havarien es im Mittelmeer und anderswo, wo es um Flüchtlingsschicksale geht, kommt. Über die Ursachen und die Folgen.
Hier noch eine unrepräsentative Auswahl von Blogger-Bestenlisten: Links zu einigen anderen „Tops“ des Jahres 2015 von Nora und Gunnar. sowie die 10 besten Krimis aus der Sicht von crimenoir und Der Schneemann
Schöne Liste, und ich bin außerdem beeindruckt, wie du es derart reduziert halten kannst 😉
Es ist mir nicht leicht gefallen. Ich hätte auch 10 oder 15 aufführen können,habe bewußt so reduziert.
Sehr fein. Finde es gut, dass auch „Paris, die Nacht“ mal in einer Liste vorkommt.
Auch Deine reduzierte Liste steckt noch voller Überraschungen. Mal wieder eine tolle Leistung von Dir. Ich überlege schon, ob es sich noch lohnt Bücher zu lesen oder auf Deine Rezensionen zu warten.
Lieber Ottogang, die Bücher habe ich schon besprochen. Brauchst nur den Titel anzuklicken, dann kommst Du zur Besprechung.
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