Tobias Radloff: AMORalisch

P1030255„Nein, ich bin wirklich nicht die hellste Kerze auf dem Kuchen. Manchmal bin ich mir überhaupt nicht sicher, ob man mich überhaupt angezündet hat.“ Das sagt Philip Strasser gegen Schluss des Buches. Er arbeitet als Privatdetektiv – wenn er denn Arbeit hat. Aber nachdem er zwei Jahre zuvor einen bedeutenden Auftrag „völlig verkackt“ hat (O-Ton Strasser), lief es nicht gut bei ihm. Damals ging nicht nur Ansehen und guter Ruf kaputt sondern auch noch seine Ehe in die Brüche. Nun ist er geschieden, völlig frustriert, teilweise depressiv, in bestimmten Situationen immer noch vor Naivität strotzend. Zeitweise zeigt er jedoch, dass er bei genügend Distanz mit analytischem Verstand zu denken vermag.

In dieser Situation spielt ihm der Zufall einen gutbezahlten Job zu. In einem Pharmaunternehmen hat jemand geheime Informationen herausgegeben. Diesen Jemand soll Strasser überführen, damit der Täter geschasst werden kann. Zudem bittet ihn die Sekretärin des Leiters der Forschungsabteilung, ihr zu helfen, ihren Chef Einbecker als Stalker zu enttarnen. Kurze Zeit später ist die Sekretärin tot, angeblich durch Selbstmord aus dem Leben gegangen.

Und dieser Einbecker ist ein alter Bekannter von Strasser. Gegen ihn hatte er damals wegen einer dubiosen Arzneimittelstudie ermittelt. Nur war Einbecker dabei so clever, schnell Patientendaten zu manipulieren, als er erfuhr, dass Strasser dabei war, ihm Betrug bei diesem Test nachzuweisen. Dazu gab es noch ein anderes Ereignis im Zusammenhang, das dazu führte, dass der Privatdetektiv den Fall „verkackte“ (s.o.). Heute scheint sich Einbecker in eine neue kriminelle Angelegenheit verwickelt zu sein – und Strasser nimmt sowohl die neue als auch die alte Spur wieder auf.

Von all diesen Aktivitäten berichtet der Privatdetektiv, teils sarkastisch, teils mit gewissem Ernst – von öden nächtelangen Observierungen, von gewalttätigen Auseinandersetzungen mit den Kontrahenten, bei denen er zumeist arg lädiert wird. Von üblen Tricks der Manager und Forscher einer fiktiven Pharmafrima.

Im Stil eines hard-boiled Detektivs versucht Autor Tobias Radloff, seinen Privatdetektiv agieren zu lassen. Dies gelingt weitgehend. Und als am Schluss Strasser desillusioniert erkennen muss, dass er selbst Opfer der Machenschaften der Pharma-Leute geworden ist, kann dieses Experiment als gelungen bezeichnet werden. Vor dem Hintergrund dubioser Methoden bei dem Verfahren zur Zulassung von Arzneimitteln schildert Radloff hier Wirkung und Nebenwirkungen einer fiktiven „Liebespille“. So entspricht der Inhalt des Buches dem Titel: Amoralisch. Genauso gut hätte der Titel Amoralisch lauten können, so verwerflich werden die Macher von Amortisol, dem Wirkstoff der Pille, dargestellt.

Und der Untertitel: Ein Biotech-Roman Noir? Roman Noir, dieser Begriff ist durchaus zutreffend. Biotech – naja, so scheinbar genau aber nicht passend hätte der Roman nicht bezeichnet werden müssen. Treffend wäre „Pharma…“ oder, wenn es um die Wirkungsweise geht „Biochem…“. Aber das sollte beim Lesen des ersten mir bekannten „Biotech-Roman Noir“ keine Rolle spielen.

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Tobias Radloff: AMORALISCH, erschienen 2015, Divan Verlag

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