Lirot & Schlueter (Hg.): Mit Schirm, Charme und Pistole

P1010882Wie verhält sich ein Auftragskiller, der Wert darauf legt, wie ein Gentleman aufzutreten, wenn er in der falschen Etage eines mehrstöckigen Hauses tätig geworden ist? Tatjana Kruse beschreibt das kleine Missgeschick und dessen Folgen in How to kill britisch, dem ersten Kurzkrimi in dieser Anthologie mit weiteren 25 Kriminalgeschichten mit schwarzem Humor, skurrilen sowie mysteriösen Ereignissen, einem fantastischen Traum sowie einem Rätsel.

Auch wenn der Untertitel „Very britische Kriminalstories“ (welch‘ scheußlich-lustiger Untertitel) verspricht, sind es doch zumeist geographisch auf England beschränkte Geschichten – und eine handelt sogar vom Traum unseres guten alten Derricks, der davon träumt, 1978 als James Bond im Dienste ihrer Majestät zu stehen. Und als er aufwacht ist er froh, nicht im Vereinigten Königreich sondern in Deutschland zu leben, einem Land ohne Frau an der Spitze der Regierung sondern mit Helmut Kohl. Froh ebenfalls darüber, dass bei Bad Aibling nur die Kommunisten abgehört werden, denn uns Westdeutsche will keiner abhören. Harry holt indessen den Wagen und wir wissen heute: Es war einmal….1978 wurde erträumt von Leila Emami.

Es haben sich in dieser Anthologie neben vielen deutschen Autorinnen und Autoren auch britische versteckt. Martin Edwards zum Beispiel, der in Verzehrende Leidenschaft beschreibt, wie die Geliebte ihrem Liebhaber schmeckt,wenn sie als Braten vom Ehemann serviert wird. Stanley Ellins Die Spezialität des Hauses lässt grüßen.

Ralf Kramp klärt dagegen Das Geheimnis um den verschwundenen Oscar. Das ist die Trophäe, mit der Margaret Rutherford 1963 für ihre Nebenrolle in Hotel International ausgezeichnet wurde, und nun nach dem Tod der geliebten Miss Marple verschwunden ist. Ein Team wie Holmes und Watson macht sich auf in die Chilterns, dieser leicht hügeligen Gegend nordwestlich Londons, um einen Mord aufzuklären und den Oscar wieder zu beschaffen. Das Unternehmen findet im Jahre 1974 in einem Umfeld statt, das an die Zeit Sherlock Holmes um die vorletzte Jahrhundertwende herum erinnert. Schade nur, dass der gewichtige Lord Merridew nicht über die Holmes’sche Fähigkeit der Deduktion verfügt und die Ermittlungen etwas plumper durchgeführt und auf Zufällen beruhend zum Erfolg führen. Nigel, das Watson-Pendant, hat die Geschichte für die Nachwelt fürtrefflich aufgeschrieben.

Nicht unerwähnt bleiben sollte Ogylvies Abendmahl von Bernd Köstering mit der grandiosen Idee eines Verlegers von seinem verfressenen Autor, der für seine bluttriefenden Serienkiller-Thriller bekannt ist, einen Kurzkrimi einzufordern, bei dem kein Blut fließt – aber zum Schluss geht’s dann doch nicht ganz ohne ab.

Elke Pistor wendet sich mit einem Rätsel an die Leser: In Tassimo Royale sind 23 Anspielungen auf James-Bond-Filme und seinen Schöpfer Ian Fleming versteckt, die es zu finden gilt. Nicht einfach für Kenner der Filme – ich war überfordert.

Wer sich schließlich durch 25 amüsante Geschichten diverser Autorinnen und Autoren hindurchgelesen hat, bei wem sich abwechselnd Gänsehaut gebildet und manchmal ein Kopfschütteln verursacht hat (die spinnen doch, die Engländer), gelang schließlich zum letzten Kurzkrimi, geschrieben von den Herausgebern dieser Anthologie, Lirot & Schlueter. Gemäß der in Deutschland abgedroschenen englischen Phrase „Last but not least“ ist dies nicht der schlechteste aller hier versammelten kleinen aber zumeist kostbaren Werke. Es ist angerichtet spielt in Madame Tussauds Londoner Wachsfigurenkabinett. Die Agierenden: Ein seltsamer Typ, der die Wachsfiguren durch kleine Modifikationen in tote Tote verwandelt, und jemand, der ihn dabei beobachtet und die Chance hat, in die royale Gruppe aus Wachs integriert zu werden – auf ganz besondere Art.

Das sollten sie lesen! Es wäre noch von weiteren seltsamen Typen zu berichten, von Guten und Bösen, ob sie nun im Spreewald, Schottland oder Soho leben oder gelebt haben, mordeten oder ermordet wurden.

Lassen Sie sich nicht abschrecken von der Witzigkeit des Titel und Untertitels. Patrick Macnee, jener als John Steed in vielen Fernsehepisoden mit Schirm, Scharm und Melone distinguiert und „very britisch“ aufgetretene Englishman, hat den Titel des Buches offensichtlich akzeptiert und lächelt zu Beginn der Anthologie mit den Worten „Greetings to all readers of Mit Schirm, Charme und Pistole“ von der Autogrammpostkarte. Na, dann auch von mir Greetings to all readers, enjoy these fantastic short stories!

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Erschienen 2014 bei KBV

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