Liza Cody: Lady Bag

P1010801Wer einen solchen Roman schreibt, muss das Leben und das Vegetieren in der Gosse kennen und es genau beobachtet haben. Das trifft auf Liza Cody zu. Sie hätte sonst nicht das Vagabundieren auf den Straßen Londons und Leiden der einstigen feinen Lady, die aus Bankerkreisen in die Gosse gespült wurde und nach einem Aufernthalt im Knast zur Pennerin mutiert ist, nicht beschreiben können. Wut und Rachegedanken treiben die ehemalige Lady in der Gosse. Sie will ihren ehemaligen Lover für sein Verbrechen an ihr zur Rechenschaft ziehen. Und das Verbrechen besteht darin, dass der feine Herr seine Lady überredet hatte, die krummen Geschäfte und Betrügereien an Geldanlegern zu unterstützen und auf ihre Kappe zu nehmen. Dafür ging sie in den Knast. An die ewige Treue, die er ihr geschworen hatte, hält sich dieser Teufel, so wird er von Lady Bag inzwischen genannt, nicht. Hat neben einer Ehefrau eine Geliebte und lebt im ehemaligen Haus seiner Ex.

Lady Bag – so ihr Gossenname –  hat es dagegen nicht geschafft, wieder in der Gesellschaft Fuß zu fassen, und so lebt sie mit neuer Freundin Elektra, einer ausgemusterten Rennhündin, viel Rotwein und sorglos machenden, Schmerz tötenden Pillen weit weg von der Gesellschaft, aber mitten in der Zivilisation.

In dieser Situation sieht sie den Teufel wieder, will ihm und seiner hübsche Begleiterin folgen. Wird übel zusammengeschlagen von ihren Gossengenossen, kommt ins Krankenhaus, wo sie wieder zusammengeflickt wird. Ihr Mund wird dabei vernäht. Irgendwo trifft sie auf die Begleiterin und versucht, diese in unverständlichen Worten vor dem Teufel zu warnen. Sie überlegt, wie sie den Teufel vernichten kann, und gerät dabei in dessen Umfeld in einen Mordfall. In Folge wird ihr die Identität des Opfers aufgedrängt. Der Not gehorchend tut sie sich zeitweise mit einer Transe zusammen. Das gemeinsame Quartier wird abgefackelt und zu allem Überfluss gerät Lady Bag in den Verdacht, den Mord und andere Verbrechen begangen zu haben, gerät in die Klauen der mieser Bullen. Es endet nicht gut für Lady Bag, besonders da sie trotz geschicktem und intelligent dargestellten gestörten Verhalten ihr Ziel nicht erreicht, den Teufel auszuschalten. Es ist teuflisch, er kommt davon.

Während sich der rote Faden von Wut und Rachegelüsten aber auch von Frust und Ohnmacht durch die Story und somit das Leben von Lady Bag in der Gosse zieht, tritt die Greyhoundhündin Elektra als Vernunft betontes alter ego von Lady Bag auf. In zahlreichen Dialogen zwischen diesen beiden – ja, Elektra kann zu ihrer Herrin sprechen, maßregelt das Verhalten ihrer Herrin zuweilen, wird das Für und Wider von Lady Bags Vorgehen diskutiert – und Elektra hat einiges zu bemängeln. Aber das Leben ist so wie es ist für die Gossen-Lady, die weniger wert ist als ihre alte Hündin, die von Passanten geachtet wird, Lady Bag dagegen nicht im Geringsten.

Es ist ein Roman, der zugleich wegen der Beschreibung des Schicksals der ehemaligen feinen Lady begeistert, aber auch ernüchtert. Denn der Weg von oben mit dem Absturz nach unten ist kurz, der Schritt zurück in die Normalität in den meisten Fällen unendlich. Wie nah jeder von uns, der sich oben aufhält, der Gosse ist, zeigt dieses Buch eindrucksvoll. Ein Roman, der bewegt.

Zu loben sind aber neben der Autorin Liza Cody auch die Übersetzerinnen Else Laudan und B.Szelinski, die sich in die beschriebene Szenerie vermutlich mit großem Aufwand eingearbeitet haben, um dieses Buch in deutscher Sprache und diesen Worten erscheinen zu lassen.

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Original: Lady Bag (UK 2013)

In Deutschland in der Übersetzung von Laudan und Szelinski als Ariadne Kriminalroman im Argument Verlag, als eBook bei CulturBooks erschienen (2014)

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