Bevor sie morgens aus München losfuhr, hatte Inge Löhnig noch auf Facebook gepostet: „Darf meine Lesebrille nicht vergessen!“ Am Abend hatte sie die Brille dabei, in Niedernhausen, dem kleinen Taunusstädtchen unweit der „Tatorte“ des Taunuskrimi-Platzhirsches Nele Neuhaus.
Eine herrlicher Ort war für die Lesung gefunden worden: eine kleine, gut 100 Jahre alte Kirche neugotischer Bauart, jetzt ein Raum für kleine Veranstaltungen. Ein düsteres Portal, innen etwas heller, aber nicht zu hell ausgeleuchtet. Empfangen wurden wir durch ein irres Pfeifen von Übersteuerung und Rückkopplung der Beschallungsanlage. So richtig funktioniert hat sie auch während der Lesung nicht. 60-80 Krimifans waren gekommen, saßen schon mit Getränken und Käsespießen bewaffnet in freudiger Erwartung an Bistro-Tischen. Hinten in der Ecke neben der Apsis ein Tisch mit der Autorin. Lesebrille in der Hand im Kampf mit dem Mikrofon, es pfiff weiterhin.
Nachdem ich bereits einige Male mit der Autorin gemailt hatte und wir unsere Posts gegenseitig bei FB kommentiert und „geliked“ hatten, ging ich zu ihr, begrüßte sie. Herzliches Händeschütteln, nette Worte hin und her – und dann ging es schon gleich los.
Das Pfeifen der Anlage hatte aufgehört. Wie bei solchen Veranstaltungen üblich, begrüßte die Veranstalterin Publikum und Gast. Braves Klatschen. Die Autorin stellte sich und ihr neuestes Werk „Verflucht seist du“ vor, aus dem sie uns vorlesen wollte, erzählte zunächst, wie sie zum Thema des Krimis gekommen war und machte uns bekannt mit der Figur ihres Kommissars, Konstantin Dühnfort. Sie las einige Passagen aus dem Roman, zunächst die Eingangskapitel bis zum ersten Mord, dann etliche Kapitel, in denen die verschiedenen Charaktere von mehr oder weniger Verdächtigen beschrieben wurden. Zwischendurch gab es immer wieder erklärende Worte zu möglichen Motiven, möglichen Tätern.
Nach drei Viertelstunden war der Teil „Lesung“ der Veranstaltung beendet, Fragen konnten gestellt werden. „Was hat Sie dazu bewogen, Krimis zu schreiben?“, „Wie arbeiten Sie? Planen Sie ihr Buch durch, oder entwickelt sich der Fall beim Schreiben?“, „Waren Sie schon einmal bei einer Obduktion dabei?“, das waren einige Fragen, die brav, umfassend und eloquent beantwortet wurden. Dazu gab es noch Antworten auf nicht gestellte Fragen. Wir erfuhren, dass sich die Autorin mit den Figuren ihrer Romane zuweilen unterhält. So monierte einmal eine junge Frau, der eine Nebenrolle zugedacht worden war – sie sollte nur die Leiche finden und aus, die Maus – dass sie mit der Rolle nicht zufrieden wäre. Die Autorin entwickelte jene Aufmüpfige zu einer Hauptrolle.
Es war ein amüsanter Abend, insbesondere geprägt von der sympathischen Art der Kriminalschriftstellerin, die auch etliche Krimis für Mädchen geschrieben hat. Und dann gab es noch einen dritten Teil der Veranstaltung, zu dem viele Zuhörer, vornehmlich Zuhörerinnen, stapelweise mit Büchern unter dem Arm Richtung Inge Löhnig stürmten: Bücher signieren war angesagt.
Ob die Veranstaltung auch noch einen vierten Teil hatte, darüber kann ich nicht berichten. Ich verdrückte mich, ohne ein Autogramm zu erhaschen – obwohl ich natürlich alle Krimis von ihr besitze – , von Inge Löhnig, einer der besten deutschen Krimiautorinnen.
In ihren Büchern erzählt sie von nicht alltäglichen Verbrechen. Sie kommt aus, ohne das Blut aus ihren Büchern trieft, actiongetrieben sind ihre Werke nicht. Auch wer sich beim Lesen von Krimis lachend auf die Schenkel klopfen will, wird hier nicht bedient. Inge Löhnig geht der Frage nach, warum jemand ein Verbrechen begeht. Der Mord als solcher steht nicht im Mittelpunkt der Story, sondern die Aufklärung nicht nur der Tat sondern auch die des Motivs sind Schwerpunkte ihrer Kriminalromane.
Die Fälle, die Kommissar Dühnfort zu klären hat, kann ich empfehlen. Und wer Antworten auf die oben aufgeführten Fragen haben möchte, dem sei geraten, zu einer Lesung von Inge Löhnig zu gehen und diese Fragen noch einmal zu stellen. Etliche Antworten hat sie aber auch in diversen Interviews gegeben, die auf ihrer Website nachgelesen werden können.
In einer Rezension von “Verflucht seist du” habe ich geschrieben: “Dieses Buch ist nicht nur das beste, das Inge Löhnig bisher geschrieben hat, sondern auch einer der lesenswertesten Kriminalromane, die ich im letzten Jahr gelesen habe.” Und dazu stehe ich auch noch heute!
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Veranstaltet wurde der Abend vom Zentrum Alte Kirche (ZAK) Niedernhausen und der Buchhandlung Sommer, Niedernhausen, im Rahmen des 4. Krimifrühlings. Den Veranstaltern herzlichen Dank für diesen Abend und – vielleicht klappt’s mit Mikro und Anlage das nächste Mal besser.
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Diese Rezension wurde zuerst veröffentlicht am 27.03.2013 auf http://philipp1112.wordpress.com